Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
Kleinkind auf den Fuß folgt direkt eine schwarze Frau, die Babysitterin. Das Baby war Cosma-Shiva Hagen, sie war erst knapp ein Jahr alt und hatte wohl die Tür allein aufgekriegt.
Aufgeregt hinter Baby und Kindermädchen kam die Mutter, Nina Hagen. Sie steckte erst den Kopf raus, sah uns auf diesen Stühlen, zum Interview bereit. Uli und mich. „Ist doch nicht zu fassen, wohin du auch gehst, überall sind die Berliner“, sagte ich. Und Nina: „Ey, wer bist denn du?“
So lernten wir uns kennen und wurden so was wie Freundinnen. Wir hatten eine Menge Spaß zusammen, sie nahm mich mit in ihrem türkisfarbenen Buick mit Chauffeur zum Shoppen und zu Fashion Shows in geräumigen Fabrik-Lofts. Ein richtiges Gespräch zwischen uns war zwar kaum möglich, sie hatte gerade ihre „Ufo-Phase“, sodass jede Unterhaltung irgendwie im außerirdischen Nichts endete. Aber wir hatten trotzdem Spaß und ließen es qualmen.
In L. A. rauchten alle Joints ohne Tabak. Rauchen, pfui. Aber kiffen. „Du hast den ganzen Joint versaut“, bekam ich zu hören, als ich mal einen mit Tabak gebaut hatte.
An einem Tag besuchten wir Rodney in seinem Studio – und durften prompt mit moderieren. Das war der Tag, an dem Nena in Amerika ein Star wurde.
Wir machten die Show, Nina, Rodney und ich – und die Zuhörer fragten mich, was ich denn so für Musik höre. Und dann legte ich ein Tape ein, das ich aus Deutschland mitgebracht hatte. Darauf war eine Aufnahme von Nena: „99 Luftballons“.
Bingenheimer war so angetan, dass er das Lied in einer seiner nächsten Sendungen abermals einspielte und von dem Popsong aus Deutschland schwärmte. So eroberte Nena auch den amerikanischen Markt.
Später gingen wir auch einmal zu Bingenheimer nach Hause, ließen dort den Tag zu Ende gehen. Seine Wohnung war überraschend klein, ein Einzimmerappartement, schick eingerichtet mit allerlei Technikkrams, ja. Aber klein, bescheiden im Vergleich zum Pomp, den du sonst so in L. A. findest. Bingenheimer ging in seinem Job voll auf. In seiner Spüle lagen lauter Fotos: er mit Jimi Hendrix, er mit The Jackson Five, er mit Blondie, er mit Boy George, er mit The Rolling Stones. Er tat mir fast ein bisschen leid, als ich das so sah. Er schien sich total damit zu identifizieren, dabei ist Starkult doch so etwas Unwirkliches. Was bleibt, wenn das Mikro ausgeht? Oder das Scheinwerferlicht? Als ich ihn bei späteren USA-Reisen öfter wieder traf, wurde mir mehr und mehr klar, dass dieses Leben mit den Stars Rodneys einziger Lebensinhalt war. Er hatte keine Kinder, keine Frau, niemanden, im Grunde war er total einsam.
Ich war mächtig angetan von den USA, das war alles saucool. Das änderte sich auch nicht, als ich eines Morgens aufwachte und im Chateau Marmont am Sunset Boulevard das Chaos herrschte: Polizei und Krankenwagen, Paparazzi und Fernsehteams überall. Ich lief sofort zu Uli Edel ins Zimmer, und der rief unten am Empfang an. Was war passiert? John Belushi, einer der Blues Brothers, war in der Nacht im Chateau Marmont an einem Speedball gestorben. Es gibt Berichte darüber, dass ich über seinen Drogentod total in Panik verfallen sein soll, und Uli und ich dann sogar das Hotel wechselten, weil es mich angeblich so sehr mitnahm. Das ist aber Blödsinn.
Ich wusste damals gar nicht, wer John Belushi war. Wir wohnten im Chateau Marmont, da ziehst du doch nicht einfach aus, weil jemand gestorben ist, den du gar nicht kennst!
Wenn mich irgendein Drogentod in dieser Zeit schockiert hat, dann der meines Cousins aus Kaltenkirchen. Zwei Jahre, nachdem ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, starb er an einer Überdosis Heroin. Keine Ahnung, wie er an das Zeug gekommen ist, er hatte auf jeden Fall die falschen Freunde, die ließen ihn tot auf einer Parkbank im Ort sitzen.
Es war fürchterlich, meine Tante und mein Onkel gaben natürlich mir die Schuld. Aber ich hatte nichts damit zu tun, wir hatten doch nie über Drogen gesprochen.
Aber das war weit weg, wir flogen indes weiter nach New York. Dort wohnten wir im Park Inn im 23. Stock, ich hatte eine riesige Suite. Dennoch war ich heilfroh, als dann Klaus Maeck kam. Er hatte ohnehin in New York zu tun, und ich bat sofort um ein neues Zimmer mit zwei Betten. Ich wollte nicht mehr alleine sein.
In L. A. hatte es mich noch kein Stück genervt, dass ich immer auf dieselben Fragen antworten musste. Man kümmerte sich rührend um mich, ich sog Englisch auf wie ein Schwamm und freute mich, dass ich mehr und mehr
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