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Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
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mein Puls ging schnell. Ich atmete mehrfach tief ein und aus, dann setzte ich den ersten Fuß auf die Stufe hoch in diesen riesigen Wagen! War das real? Dann den nächsten Fuß. Unglaublich, ich träume! Und da saß er: Auf schwarzen Ledersitzen, wie ein König. Wir waren allein im Wagen, erst viel später hat man mir erzählt, dass das eine große Ehre ist, wenn er jemanden ohne seine gluckenhafte Managerin Coco Schwab und seine Assistentinnen empfängt.
    Ich traute meinen Augen kaum: Er war kleiner als ich, dünner als ich und er hatte einen Schnurrbart, wie ihn mein Vater trug. Nicht zu fassen. David Bowie mit Schnurrbart?
    Ich war noch viel zu aufgeregt und überfordert, um zu begreifen, wie unglaublich mich das enttäuschte. Ich brachte erst mal kein Wort heraus. Bowie bemerkte, wie mich die Begegnung aus der Spur warf. Er fragte, wie es mir so ginge und ob mein Flug gut gewesen sei. Ich sagte: Ja, sah davon abgesehen aber während der ganzen Fahrt verschüchtert aus dem Fenster und traute mich nicht, auch nur einen Satz von mir zu geben. Nach 15 quälenden, peinlich stillen Minuten kamen wir endlich am Kino an.
    Bowie war für mich der Star meines Films.
    Nach der Vorführung war er dann aber schnell verschwunden, und wir flogen wieder zurück nach Berlin. Zwei Jahre später erschien Bowies Song „Let’s Dance“, und das hat meiner Faszination für ihn nach der optischen Enttäuschung einen weiteren gehörigen Dämpfer verpasst. Ich hatte den Künstler bewundert, das exotische Hund-Mensch-Wesen vom Diamond-Dog-Cover. Den Verrückten, Unangepassten. Aber die Zeiten waren wohl vorbei und er nicht das, was ich als kleines Mädchen in ihm gesehen hatte.
    Seine Musik entpuppte sich für mich, als ich älter wurde, als Elektro-Mainstream!
    Heute halte ich ihn für ein Finanzgenie, das den Kommerz vollkommen beherrscht. Er besitzt mehrere Firmen, die aber gar nichts mit Musik zu tun haben, und gilt als einer der reichsten Künstler der Welt. Aber er ist künstlerisch nur mäßig begabt, finde ich. Er ist sein eigenes Marketingprodukt, das Melodien für die Massen macht. Als mir das klar wurde, hat mich die Erkenntnis echt getroffen. Weil eine Illusion platzte, an die ich mich in meinen finstersten Zeiten noch klammern konnte. Ein Lebensgefühl starb.
    Noch nicht ganz entschlossen, mir wirklich einzugestehen, dass er nicht war, was ich glaubte, bemühte ich mich 1983 um Tickets für sein Konzert in der Berliner Waldbühne. Das Management versprach mir zwei mit Backstagepass zu schicken, doch ich bekam nur ein Ticket mit ganz gewöhnlichem Einlass. Allein wollte ich nicht hin, wer geht denn schon allein auf ein Konzert? Und ich war sauer: Mein Film hatte Bowie noch bekannter gemacht, vor allem in Europa. Ich war wirklich enttäuscht und zickig. Was für eine Unverschämtheit!
    Ich ging nicht zum Konzert, sondern, später am Abend, wie gewohnt, in den Dschungel. Und da war er: Bowie. Wir hatten uns zwei Jahre nicht gesehen, aber er erkannte mich, fragte, wie es so geht. Da erzählte ich, was passiert war, und er fragte: „Are you ready for an awesome trip tomorrow?“ – Bist du morgen bereit für einen großartigen Trip? Ja, klar war ich das!
    Um zwölf Uhr holte mich eine Limousine zu Hause in der Reuterstraße ab und fuhr mich zum Flughafen Tegel – dort stieg ich zusammen mit der Crew und Bowie in den Jet der Rolling Stones ein. Bowie hatte ihn sich geliehen. Was war das für eine Maschine, einfach unglaublich! Es gab keine Sitze darin, nur etwa ein Dutzend für den Notfall. Stattdessen: riesige, runde französische Betten mit samtenen Bezügen und eine gut befüllte Bar. Hocker, eine Musikanlage, viele Platten. Als ich zur Toilette musste, staunte ich nicht schlecht – alles war groß ausgebaut. Ein Pissoir aus Marmor in der Luft!
    Daneben war ein riesiges, verschließbares Schlafzimmer. Die Crew war super drauf, ruhte sich aus, trank unabhängig von der Uhrzeit schon die ersten Gin Tonic. Aber das Beste im Flieger: Bowie saß abseits und starrte vor sich auf den Boden. Und ich durfte ihn nicht ansprechen, weil er so krasse Flugangst hatte. Das behauptete zumindest Coco Schwab. Sie brachte ihn nach der Landung auch schnell aus dem Flieger, sodass er sich nicht einmal von mir verabschieden konnte.
    Mit seiner Band reiste ich dann weiter zum Stadion, durfte mir das Konzert backstage angucken, und Bowie kam tatsächlich zwischen zwei Liedern zu mir und fragte, ob es mir gefällt. Als die Show vorbei war, waren

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