Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)

Titel: Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane V. Felscherinow , Sonja Vukovic
Vom Netzwerk:
dass mein Hund sie gebissen habe oder so einen Scheiß.
    So richtig aggressiv machen mich die, die wollen, dass ich mir ihr Leid reinziehe, als hätte ich selbst nicht genug davon. „Mir geht es schlechter als dir“, sagen sie mir. Sie seien „krassere Junkies“ mit einer noch „krasseren Geschichte“ als meiner. Als sei das ein Wettbewerb: Deutschland sucht den Super-Junkie.
    Ich antworte denen dann, dass mehr dazu gehöre, als einfach nur eine ekelerregende, bemitleidenswerte Geschichte zu erleben. Ich will damit nicht sagen, dass ich etwas Besonderes geleistet hätte oder etwas Besonderes bin. Aber viele, die damals mein Buch gelesen haben, konnten sich mit mir oder meinen Problemen identifizieren. Andere hatten Sympathie für mich. Das liegt sicher auch an der Arbeit der beiden Autoren. Daran, wie sie mich beschrieben haben.
    Und so soll es im Großen und Ganzen auch bleiben. Darum bemühe ich mich immer, freundlich zu sein, wenn mich jemand anspricht. Sonst heißt es gleich: Christiane F. ist nur noch eine alte Zicke, die ihre Fans nicht einmal mit dem Arsch ansieht. Aber kaum bleibe ich auf dem Weg zu meinem Methadonarzt am Hermannplatz stehen und unterhalte mich mit jemandem, kommen gleich die Bullen. Routinekontrolle. Angeblich.
    Es dauert oft nicht lange, dann gesellt sich ein Reporter der BZ dazu und schwups, bin ich auch noch eine rückfällige alte Zicke. So geht das. Manche Journalisten zahlen Abhängigen am Kottbusser Tor oder am Hermannplatz sogar Geld dafür, dass sie sie anrufen, sobald ich auftauche. Andere Presseleute fragen mich ernsthaft heute noch, wo Detlef ist, mein Freund aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Ich bin 51. Verdammt! Wer weiß in dem Alter schon, wo sich seine Kinderliebe rumtreibt?
    Ich durfte nie erwachsen werden, für die Öffentlichkeit bin und bleibe ich das Heroinmädchen vom Kinderstrich.
    Die Kehrseiten meiner Bekanntheit hatte ich schnell nach Erscheinen des Buches kennengelernt. „Christiane F. – ganz toll! Dürfen wir bitte ein Autogramm haben? Ein gemeinsames Foto? Aber wir wollen Sie bitte schön nicht als Freundin unseres Sohnes und nicht als Nachbarin im Haus.“ Alles klar, sehr gern! Smile! Bitte schön.
    Aber Freundschaft? Gastfreundschaft? Gemeinsam aus einer Tasse trinken? „Haben Sie nicht Hepatitis C?“ Ja, habe ich! Aber wenigstens halte ich mir die Hand vor den Mund, wenn ich huste oder nieße.
    Meine Güte, ich bin und bleibe ein Promi-Junkie. Eine Attraktion. Ein seltenes Tier. Spezies: „Kind vom Bahnhof Zoo“.
    Aber ich hatte nun selbst ein Kind – und jetzt, da Phillip in die Pubertät kam, wollte ich nicht, dass er all das weiterhin erlebt. Es sollte Raum für ihn geben, für seine Jugendjahre, für seine Probleme und Themen. Meine kaputte Jugend war doch lange her, und ich wollte die Kraft haben, mich um ihn zu kümmern. Darum wollte ich weg aus Berlin. Es war das Jahr 2008. Ich redete sehr lange mit dem Jungen und habe ihm alles erklärt.
    Er kennt sich mit Geografie gut aus. Als er noch kleiner war, liebten wir es, den Atlas rauszukramen und so die Welt zu entdecken. Also setzte ich mich mit ihm, den Karten und einem heißen Kakao auf sein Bett, wie wir das immer gemacht haben, und fragte ihn, wo er am liebsten leben wollen würde.
    „Ich will auf jeden Fall dasselbe Wetter. Also Frühling, Sommer, Herbst und Winter“, war seine Antwort. „Ich will nicht nur Palmen oder nur Schnee. Und ich will, dass es mir nicht so schwerfällt in der neuen Klasse.“ Und da habe ich gedacht: „Mensch, als Deutscher würde er es vielleicht in den Niederlanden nicht so schwer haben.“ Kurz dachte ich auch an Pasadena.
    Mir war noch vor den US-Wahlen klar, dass Barack Obama gewinnen würde, und ich finde den Kerl sehr cool. „Wenn er Präsident wird, ziehen wir dahin“, träumte ich kurz. Aber eigentlich wusste ich ja, dass das mit der Greencard nicht so einfach ist, vor allem nicht für vorbestrafte Ex-Junkies mit Kind wie mich.
    Da es im Vergleich keine viel kleinere Stadt sein sollte als Berlin, entschieden wir uns letzen Endes dann doch für Amsterdam.
    Zuerst bin ich mit Beckermann allein hin. Ich wollte sehen, wie sich die Stadt verändert hat, seit ich zuletzt da gewesen war. Während meiner Zürich-Zeit hatte ich mich dort mal mit dem Speedjunkie vergnügt, obwohl Anna uns nach Paris geschickt hatte. Jedenfalls hatte ich die Stadt damals eben wie ein Teenager auf Droge wahrgenommen und eher nach Diskotheken und Sexshops Ausschau

Weitere Kostenlose Bücher