Christiane F. – Mein zweites Leben (German Edition)
Nachrichtenseite gegeben, in dem Text war die Rede von der Macht seines Stiefvaters und von ihm.
Da stand unter anderem, dass er als Adoptivsohn mehr als 500 arabische Clanmitglieder befehlige und ein Haus mit mehr als 30 Zimmern und einem angrenzenden Schwimmbad in Nordrhein-Westfalen besäße. Ich habe das Schriftstück aufgehoben, da steht: „So rief er nach einem Streit mit der Polizei, die eine Routinekontrolle seines 500er SEL vornehmen wollte, mit einem einzigen Anruf mehr als 300 arabische Clanmitglieder zur Hilfe, diese kamen in weniger als 15 Minuten schwerbewaffnet aus allen Stadtbezirken Berlins.“ Und weiter: „Er (also Beckermann) verließ den Tatort unbehelligt mit den Worten: ‚In dieser Stadt sind wir die Polizei, und wer mich kontrolliert, bestimme ich und nicht ihr, ihr Parasieten.‘“ Parasiten stand da mit „ie“.
Heute weiß ich: Dieser Mann ist ein Felix Krull der brutalen Sorte. Es war aber damals nicht so, dass mich das begeistert hätte, was er mir da von sich präsentierte. Es interessierte mich überhaupt nicht, aber genau das wurde mir später zum Verhängnis. Ich hätte gleich merken müssen, dass Beckermann ein Betrüger ist.
Seit mein Anwalt ihn durchleuchtet hat, kenne ich einige Puzzleteile seiner Biografie, aber vieles kann ich mir noch nicht zusammenreimen. Zum Beispiel, wie er über Jahre auf der Flucht sein und dennoch ständig in aller Herren Länder einreisen und Schließfächer und Konten im In- und Ausland führen kann. Als ich zuletzt von ihm hörte, war das durch meinen Anwalt, dem zufolge Beckermann damals international per Haftbefehl gesucht wurde.
Es war immer wegen derselben Sache: Beckermann hat Webdesign oder IT oder so etwas Ähnliches studiert. Er ist ein schlauer, gerissener Kerl, hat gute Unis besucht – auch im Ausland. Zumindest sagte er das, man weiß ja nicht, welcher Teil seiner Geschichte nun stimmt und welcher nicht. Jedenfalls ist er sehr versiert mit dem Internet. Und er nutzt seine gute Ausbildung, um Online-Shops und Foren zu hacken.
Oder er kauft geklaute Kreditkarten auf und bestellt mit diesen kostbares Zeug, das er dann weiterverkauft. Die Sicherheitslücken im Internet machen es Hehlern und Betrügern wahnsinnig einfach, wie ich ja dann auch bitterlich erfahren musste.
Es war nicht Beckermanns einziger Trick: Auf Gran Canaria hat er einige Hunderttausend Euro damit gemacht, dass er sich als falscher Makler oder falscher Immobilieneigentümer ausgab und Häuser verkaufte, die er gar nicht besaß. Er hat sich einfach irgendwo eine Immobilie gemietet und reiche Leute zur Besichtigung eingeladen und ihnen weisgemacht, sie hätten ein Schnäppchen an der Hand.
Leute können unglaublich dumm sein, wenn sie das große Geld vor Augen haben.
Ich habe mich nie darauf eingelassen, wenn er versuchte, mich zu irgendetwas zu drängen. Er wollte mit mir natürlich nach Gran Canaria ziehen, als ich ihm erzählte, dass ich Berlin verlassen wolle. Unbedingt. Dabei kannten wir uns erst sechs Wochen, und ich erklärte ihm: „Auf Gran Canaria werden Phillip und ich nicht glücklich, das ist eine Urlaubsregion. Ich will kein Halli-Galli, ich suche meine Ruhe!“
Ich wollte weg von diesem Christiane-F.-Ding. Keiner kann sich vorstellen, was ich bis heute erlebe, nur weil ich bin, wer ich bin. Ich lebe jetzt wieder seit 20 Jahren in Berlin, seit ich aus Griechenland zurückgekommen bin.
Und trotzdem spricht mich fast jeden Tag irgendjemand an und fragt: „Du bist doch Christiane F., oder?“ Sie wissen es offenbar sowieso schon, mal von jemandem, der mich kennt, mal von jemandem, der mich erkennt. Sie haben mein Bild in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen. Es ist mir sogar schon passiert, dass die BZ ein Bild von mir zusammen mit der völlig absurden Nachricht „Christiane F.s Hund hat mich gebissen“ riesig groß auf diesen Bildschirmen in der Bahn zeigte, als ich im Waggon saß.
Niemand sah meinen Chow-Chow Leon oder mich an, aber alle flüsterten: „Guck mal, da sitzt sie.“ Ich höre so etwas ganz genau.
Andere wollen ein Foto mit mir, manchmal mit der ganzen Familie. Als wollten sie sich das ernsthaft im Wohnzimmer aufhängen! Wir und Christiane F., einmal lächeln bitte! Was für ein Blödsinn! Die wollen mich nur rumzeigen wie ein Souvenir, ihren Freunden und Bekannten, und im Büro eine spannende Geschichte erzählen: Wir haben Christiane F. getroffen. Und am besten erzählen sie noch, ich sei völlig high gewesen. Oder eben,
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