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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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zustande, doch entzog sich ihm der Papst, als 787 die Konfrontation von Karl eröffnet wurde, der mittlerweile in Sachsen das Ärgste überstanden und gerade erst auch Arichis von Benevent zum Untertan gemacht hatte. Fränkische Heere marschierten von drei Seiten gegen Bayern auf und machten jeden Widerstand sinnlos, zumal sich rasch zeigte, daß Karl längst große Teile des Adels und der hohen Geistlichkeit im Lande auf seine Seite gezogen hatte. Tassilo ergab sich kampflos auf dem Lechfeld (bei Augsburg) und leistete einen klar bezeugten Vasalleneid, der ihn nach Karls Verlangen zum Erscheinen auf dessen Hoftag in Ingelheim im Juni 788 verpflichtete. Dort wurde ihm der Prozeß gemacht, bei dem «getreue Bayern» ihn der Treulosigkeit bezichtigten[ 10 ] und ein Gericht aus Franken, Bayern, Langobarden und Sachsen wegen der (angeblichen) Fahnenflucht 25 Jahre zuvor das Todesurteil fällte, bevor Karl den Vetter und seine ganze Familie zu dauernder Klosterhaft «begnadigte». Noch im Herbst 788 nahm der König die agilolfingische Hauptresidenz Regensburg in Besitz und übertrug seinem Schwager Gerold die Verwaltung des bayerischen Stammesgebietes, das als rechtliche und kirchliche Einheit erhalten blieb.
    Von Bayern richtete sich binnen kurzem schon der begehrliche Blick auf ein weiteres Angriffsziel: das Reich der Awaren jenseits der Enns mit Schwerpunkt in der Donau-Theiß-Ebene. Das im 6. Jh. von Osten dorthin vorgedrungene Reitervolk hatte im Lauf der Zeit viel von seiner Schlagkraft eingebüßt, galt aber immer noch, erkennbar am häufigen Gebrauch des Hunnennamens in den fränkischen Quellen, als furchterregend, weshalb sich Karl erst nach einiger Vorbereitung, wozu vielleicht auch die Planung des unvollendet gebliebenen Kanalbaus zwischen Main und Donau gehört hat, in Bewegung setzte. 791 rückte er von Regensburg donauabwärts bis zur Raab vor, während sein Sohn Pippin von Italien her hinzustieß, doch ging der Zug offenbar ins Leere, weil der Feind auswich und eine Pferdeseuche wie auch die fortgeschrittene Jahreszeit den Abbruch erzwangen. Karl blieb noch das ganze Jahr 792 über in Regensburg und plante anscheinend einen zweiten Vorstoß nach Südosten, wandte sich dann aber doch lieber den erneut rebellischen Sachsen zu und überließ das Schicksal der Awaren dem Markgrafen Erich von Friaul, der erstmals 795 mit slawischer Unterstützung in das Zentrum des Reiches, den mit Schätzen angefüllten «Ring» nahe der Theiß, vordrang. Er bahnte damit den Weg für König Pippin von Italien, der 796 in derselben Gegend die Unterwerfung des awarischen Oberherrschers (Kagan) und seiner Großen entgegennahm und mit der reichsten Beute heimkehrte, die den Franken je in einem Krieg zugefallen war, wie Einhard stolz anmerkt[ 11 ]. Die materielle Bereicherung spielte am Ende, wenn nicht von vornherein, eine stärkere Rolle als der Gebietszuwachs, denn die Franken begnügten sich mit je einer bald nach 800 erkennbaren bayerischen und friulanischen Grenzmark, während die geschwächten Awaren weiter östlich allmählich ihren slawischen Umwohnern anheimfielen und nach 822 vollends aus den zeitgenössischen Quellen verschwinden.
Ende der Expansion
    Mit der Ruinierung des Awarenreiches war der expansive Elan erschöpft, der das ganze 8. Jh. hindurch die Politik der Karolinger beherrscht hatte. Nicht als ob fortan die militärische Kraft nicht mehr zu weiteren Eroberungen ausgereicht oder ein übermächtiger Feind sich in den Weg gestellt hätte, es fehlte an lohnenden Zielen, die die fränkischen Großen zu weiterem Vordringen hätten verlocken können. Schon Karls einziger Feldzug gegen die Slawen jenseits der Elbe 789 war nicht auf dauernde Unterwerfung und Christianisierung, sondern auf Einschüchterung und Ausplünderung ausgerichtet, und nicht anders verhielt sich der Kaisersohn Karl der Jüngere 805/06 bei seinen Vorstößen nach Böhmen, die das Land verwüsteten und anscheinend Tribute einbrachten, aber keinen politischen Umsturz bezweckten. Fränkische Verbündete waren die mit den Sachsen verfeindeten slawischen Abodriten an der südlichen Ostseeküste, die seit 795 mehrfach in die Kämpfe an der Unterelbe eingriffen. Sie blieben ebenso außerhalb des Reiches wie die Dänen, mit deren Königen es zu keiner ernsthaften Konfrontation kam und 811 die Grenze an der Eider fixiert wurde. Kennzeichnend für die Jahre nach 800 war die Anlage fränkischer Grenzbefestigungen im Norden ebenso wie an der mittleren

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