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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Elbe.
2. Die Ausbreitung des Christentums
und die fränkische Reichskirche
Das Auftreten der Angelsachsen
    In innerem Zusammenhang mit der Expansion der neuen karolingischen Zentralgewalt über den Rhein hinweg erlebte das 8. Jh. die Durchsetzung von Christentum und Kirche in Mitteleuropa, wozu die Initiative zunächst nicht von den fränkischen Machthabern selbst ausging. Vielmehr waren es Geistliche aus England, meist Mönche, die nach dem Abschluß der Christianisierung ihrer insularen Heimat auf den Kontinent kamen, um als Missionare unter den sprachverwandten Heiden im nördlichen und östlichen Vorfeld des Frankenreiches tätig zu werden. Sie wirkten völlig unabhängig von den angelsächsischen Königen, denen politische Ambitionen auf dem Festland fernlagen, suchten aber früh schon den Schutz und die Unterstützung der karolingischen Hausmeier, denn schmerzliche Erfahrungen lehrten sie, daß fremde Glaubensboten, die auf sich allein gestellt in die Lebenswelt heidnischer Stammesgesellschaften eindrangen, um für die Taufe zu werben, kaum etwas ausrichteten, solange es nicht spürbar der Gott der überlegenen Franken war, den sie predigten. Religion war in vormoderner Zeit keine Privatsache des Einzelnen, sondern eine soziale Praxis, die über den gemeinschaftlichen Kult hinaus Weltsicht und Selbstverständnis eines jeden ethnischen Verbandes prägte. Eine Abwendung von den angestammten eigenen Göttern zugunsten eines universalen Gottes, der von Fremden vermittelt wurde, war daher ein ungemein tiefer Einschnitt und nur im kollektiven Rahmen denkbar, wobei der Anstoß regelmäßig von den führenden Leuten auszugehen hatte. Sie entschieden durch ihr Verhalten darüber, ob man auf der überkommenen Gruppenidentität beharrte oder aber den Anschluß an das immer mächtigere Reich der Franken suchte, für dessen christliche Herrscher es nach den Begriffen der Zeit ausgeschlossen war, ungetaufte, den Normen der Kirche nicht verpflichtete Untertanen zu haben.

    Pippin der Mittlere wird daher gern 690 dem mit einigen Gefährten aus Nordengland gekommenen Mönch Willibrord († 739) die erbetene Erlaubnis zur Mission unter den Friesen erteilt haben, mit deren Unterwerfung der Hausmeier soeben begonnen hatte. Neben dieser politischen Rückendeckung wurde stilbildend für das Auftreten der Angelsachsen, daß sich Willibrord zugleich um einen Missionsauftrag des Papstes bemühte, der ihm 692 in Rom zuteil wurde. Bereits 695 empfing er dort die Weihe zum Erzbischof der Friesen (mit Sitz in Utrecht), während die Verbreitung des neuen Glaubens an der Rheinmündung und weiter nordwärts tatsächlich noch viele Jahrzehnte erfordern sollte. Die Romverbundenheit und der Drang nach fester kirchlicher Organisation unterschied die Angelsachsen von den noch früher auf dem Kontinent aufgetauchtenIren (Schotten), deren Ideal nicht so sehr die Heidenbekehrung wie ein Klosterleben unter den verschärften Bedingungen der Heimatlosigkeit gewesen ist. Beiden Richtungen gemeinsam war, daß sie Bücher, Schreibkunst und Gelehrsamkeit mitbrachten und überall, wohin sie gelangten, lateinischer Schriftkultur den Boden bereiteten.
    Den Höhepunkt ihrer Wirksamkeit erreichte die angelsächsische Mission durch Willibrords um eine Generation jüngeren Landsmann Winfrid, der seit seinem ersten Besuch am Petrusgrab 719 den römischen Namen Bonifatius führte. Nach anfänglichem Wirken an der Seite Willibrords in Friesland wandte er sich 721 den nur oberflächlich christianisierten, zunehmend fränkisch durchsetzten Landschaften Hessens und Thüringens zu und stützte sich dabei sowohl auf eine 722 in Rom empfangene Bischofsweihe als auch auf einen Schutzbrief des Hausmeiers Karl Martell, der den Fremdling allen «Bischöfen, Herzögen, Grafen, Untergrafen, Verwaltern, Beauftragten und Sendboten» empfahl[ 12 ]. So geschah es denn auch im Schatten einer fränkischen Befestigung, der Büraburg bei Fritzlar, daß Bonifatius 723/24 ostentativ eine als Stätte des Donarkultes bekannte Eiche bei Geismar fällte, vor «einer großen Menge von Heiden, die den Feind ihrer Götter innerlich lebhaft verwünschte»[ 13 ], hier aber die Haltlosigkeit ihres bisherigen Glaubens erkennen sollte. Mehr noch als die elementare Mission lag Bonifatius freilich die Schaffung klösterlicher Mittelpunkte am Herzen, wofür er geistliche Helfer und Helferinnen aus der englischen Heimat herbeiholte, und nicht minder die Ausbreitung eines geordneten kirchlichen Lebens

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