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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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das
nomen imperatoris
, von den Griechen gewichen sei und er die Stadt Rom sowie die übrigen Kaiserresidenzen des Westens innehabe. «Ihrem Ansinnen wollte sich König Karl nicht versagen, sondern in aller Bescheidenheit vor Gott und auf Bitten der Priester und des ganzen christlichen Volkes nahm er am Geburtsfest des Herrn den Kaisernamen mit der Weihe durch den Papst Leo an»[ 49 ]. Vom sichtbaren Geschehen am Weihnachtstag in der Peterskirche wird im römischen Papstbuch und in den fränkischen Reichsannalen übereinstimmend berichtet, daß Leo dem König während der Meßfeier eine kostbare Krone aufsetzte und das versammelte Volk der Römer sodann Hochrufe auf «Karl, den Augustus, den von Gott gekrönten, großen und friedenstiftenden Kaiser», ausbrachte[ 50 ]. Daneben ist festgehalten, daß Leo dem neuen Kaiser durch Kniefall huldigte und den Sohn Karl den Jüngeren zum König salbte.
    Der ganze Ablauf der Feier zeugt von sorgfältiger Vorbereitung, weshalb die von Einhard überlieferte und in der Forschung viel erörterte Äußerung Karls, «er würde an diesem Tage, obwohl es ein bedeutendes Fest war, die Kirche nicht betreten haben, wenn er des Papstes Plan hätte vorauswissen können»[ 51 ], schwerlich in dem Sinne zu verstehen ist, Karl sei mit der hohen Würde an sich überrumpelt worden, sondern eher angenommen werden muß, daß sich die Zeremonie nicht so abspielte, wie er sie sich gewünscht hätte. Gestört haben mag ihn die hervorgehobene Rolle «der Römer», denn sie ließ Spannungen mit dem Römerreich des Ostens erwarten und drohte den führenden Rang des Frankenvolkes zu mindern. Eben darum sind die fränkischen Quellen bemüht, den Eindruck zu vermitteln, daß Karl bloß noch den Titel für eine Machtfülle bekommen habe, die er längst aus eigener Kraft innehatte. Allerdings war das Kaisertum seiner Tradition nach römisch und zugleich universal, also auf kein einzelnes anderes Volk bezogen, so daß sein Verhältnis zum hergebrachten «gentilen» Königtum der Franken allerhand Kopfzerbrechen bereitete; ein Ergebnis war der komplizierte, seit Mai 801 bezeugte erste Kaisertitel in Karls Urkunden, der die Akklamation der Krönungsfeier erweiterte um die Elemente«das römische Reich regierend und zugleich durch Gottes Erbarmen König der Franken und Langobarden»[ 52 ]. Ohne solche Klärungen abzuwarten, scheint Leo III. im Weihnachtsgottesdienst die Gunst der Stunde genutzt und die vollendete Tatsache eines durch ihn als Papst sakral konstituierten Kaisertums geschaffen zu haben, auch und gerade um Karl die höchstrichterliche Gewalt zur Aburteilung der städtischen Opponenten zuzuspielen. Jedenfalls bestand Karls erste Amtshandlung darin, Anfang Januar 801 die Rädelsführer des Anschlags auf Leo nach antikem Kaiserrecht des Todes schuldig zu sprechen, bevor ihnen der Papst zur Begnadigung durch Verbannung verhalf.
    Ein Gegenkaisertum, ohne jede Legitimation aus Konstantinopel verliehen durch den Bischof von Rom, war gewiß nicht, was Eirene bei den vorangegangenen diplomatischen Kontakten angestrebt hatte, sondern mußte am Bosporus als eine barbarische Anmaßung erscheinen. Um die Reichweite von Karls Ambitionen zu ergründen, schickte die Kaiserin eine Gesandtschaft nach Aachen, die 802 mit der Entsendung fränkischer und päpstlicher Boten nach Byzanz beantwortet wurde. Sie haben wohl kaum, wie ein griechischer Chronist zu wissen meint, das Angebot gemacht, durch eine Heirat zwischen Karl und Eirene alle Probleme aus der Welt zu schaffen[ 53 ], wohl aber auf Respektierung von Karls Kaisertitel, gewissermaßen einer Teilung des Kaisertums, bestanden und daran auch festgehalten, als Eirene Ende 802 durch einen weiteren Umsturz entmachtet wurde und der neue Herrscher Nikephoros I. (802–811) die vermeintliche Vakanz auf dem römischen Kaiserthron beendete. Auch mit seinen Gesandten, die im Sommer 803 bei Karl eintrafen, gelang keine Verständigung, was zum einstweiligen Abbruch der Kontakte führte. Sie wurden erst 810 wieder aufgenommen, nachdem die beiden Reiche zuvor einen bewaffneten Konflikt im nördlichen Adriaraum ohne klaren Sieger ausgetragen hatten. Unter dem wachsenden Druck der Bulgaren, gegen die Kaiser Nikephoros 811 im Kampf fiel, war man in Konstantinopel bereit zu einer generellen Bereinigung des Verhältnisses zum Westen. Im Auftrag des Kaisers Michael I. (811–813) honorierten seineGesandten 812 in Aachen den fränkischen Verzicht auf Venetien mit der Akklamation

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