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Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200

Titel: Christianisierung und Reichsbildungen - Europa 700 - 1200 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Jahren die Akten des von Papst Hadrian gebilligten Konzils in einer von diesem vermittelten,recht mangelhaften lateinischen Übersetzung zugingen, beauftragte er seine Hofgelehrten mit einer Stellungnahme, den sogenannten Libri Carolini, worin nicht nur das in Nikaia angewandte Verfahren gerügt, sondern auch inhaltlich die dort getroffenen Beschlüsse ebenso wie die vorangegangenen Bilderverbote zurückgewiesen wurden. Das war eigentlich widersinnig, gab sich aber als autoritative Äußerung Karls, der in der Überschrift figuriert als der «Frankenkönig, der Gallien, Germanien, Italien und die angrenzenden Provinzen regiert»[ 43 ]. Von einem den gesamten christlichen Okzident umfassenden Anspruch zeugte erst recht die große Synode, die Karl zum Juni 794 nach Frankfurt einberief, wo außer zwei Legaten des Papstes Bischöfe aus allen Teilen des Frankenreiches und offenbar auch aus Spanien (Asturien) sowie aus England erschienen. Ganz in der Manier der östlichen Kaiser verkündete der König, geschmückt mit dem zusätzlichen Titel «Sohn und Schützer der heiligen Kirche Gottes»[ 44 ], als Ergebnis die Verdammung der «frevlerischen Häresie» des Adoptianismus (einer aus Spanien stammenden theologischen Lehrmeinung) und behandelte «die Frage über die neue Griechensynode» mit ihrem (vermeintlichen) Gebot einer «Anbetung» der Bilder[ 45 ], bevor er in seinem Kapitular eine lange Reihe kirchlicher Reformbeschlüsse bekanntgab.
    Bei dieser funktionalen Parallelität mit dem Basileus hätte es womöglich bleiben können, wenn nicht alsbald unvorhersehbare Umstände eingetreten wären, die die Entwicklung weiter zuspitzten. 797 wurde am Bosporus Konstantin VI. durch eine Palastrevolte gestürzt und geblendet, woraufhin seine Mutter Eirene gegen alle Tradition eine Regierung im eigenen Namen begann. Sie ging sogleich diplomatisch in die Offensive und schickte Boten nach Aachen, die 798 den Reichsannalen zufolge «Frieden» anboten[ 46 ], gemäß einer allzu lapidaren Notiz aus Köln sogar eine (wie auch immer geartete) Teilhabe am Kaisertum[ 47 ]. Gleichzeitig knüpfte Karl im Rücken der Oströmer einen Gesandtenaustausch mit dem Kalifen Harun-al-Raschid im fernen Bagdad an. 799 schließlich wurde in Rom der von mächtigen Gegnern angefeindete und kaum über alle Vorwürfe erhabene Papst Leo III. (795–816)Opfer eines Überfalls, bei dem durch seine Blendung und Verstümmelung eine Amtsenthebung angebahnt werden sollte. Das Attentat schlug jedoch fehl, so daß der Papst, allenfalls geringfügig verletzt, nach einiger Zeit von fränkischen Königsboten in Sicherheit gebracht werden konnte. Unter dem Eindruck der ersten Nachrichten, die auf eine vollendete Blendung hindeuteten, gab der gelehrte Alkuin in einem Brief an Karl diese Einschätzung der Weltlage: Von den drei höchsten Personen auf Erden, nämlich dem Papst, dem Kaiser und dem Frankenkönig, seien die beiden ersten roher Gewalttat anheimgefallen, so daß nun allein auf Karl «das gesamte Heil der Kirche Christi» ruhe; er sei der «Rächer der Verbrechen, Lenker der Verirrten, Trost der Trauernden und Rückhalt der Guten»[ 48 ].
Karl der Große und Leo III.
    Karl beschloß, an dem angefochtenen Papst festzuhalten und ihn zu empfangen, freilich nicht in Aachen, sondern in Paderborn, wo er sich als Bezwinger des sächsischen Heidentums präsentieren konnte. Es ist gut vorstellbar, aber nirgends ausdrücklich bezeugt, daß bei dieser Begegnung etwa im September 799 der Gedanke eines durch den Papst vermittelten Kaisertums Gestalt gewonnen hat, das sich anders als in der Antike oder in Byzanz eng mit dem Schutz der römischen Kirche verband. Vorerst wurde Leo III. mit allen Ehren an den Tiber zurückgeleitet, wo hochrangige Beauftragte Karls dafür sorgten, daß die Attentäter festgenommen und ins Frankenreich verbracht wurden. Der König selbst ließ sich ein ganzes Jahr Zeit, bis er Ende November 800 in Rom eintraf, wo er nicht mehr wie bei früheren Besuchen als Patricius, sondern eindeutig nach kaiserlicher Art empfangen wurde. Vier Wochen lang leitete er in St. Peter eine Synode, die sich mit den Anklagen gegen den Papst befassen sollte und am 23. Dezember damit endete, daß Leo, formal freiwillig, einen Eid über seine völlige Unschuld ablegte. Der damit rehabilitierte Papst und die ganze Versammlung sollen sogleich gemäß den Lorscher Annalen befunden haben, «daß man Karl, den König der Franken, Kaiser nennen müsse», weildiese Würde,

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