Christine Feehan - Karpatianer 13 - Dunkler Ruf des Schicksals
selbst jetzt, da er ihr das Herz zerriss.
Es war nicht genug, das wussten sie beide. Destinys gequälter Aufschrei hallte weit durch die Nacht.
Kapitel 12
Sich seiner Obhut anvertrauen. Es war so leicht gesagt, und Nicolae sprach es mit solcher Ruhe und Überzeugung aus. Destiny raste über den Himmel, obwohl sie kein Ziel hatte, nur den Wunsch, hoch und schnell und weit weg zu fliegen.
Ich wollte das nie.
Destiny hasste es zu jammern. Sie hasste es, sich selbst zu bemitleiden. Sie hasste es, Angst zu haben. Vor ihren Kämpfen mit den Untoten fürchtete sie sich nicht. Wenn sie dabei ums Leben kam, würden die Qualen, die ihr unreines Blut hervorriefen, ein Ende haben. Wenn sie siegte, war die Welt von einem weiteren Monster befreit. Jetzt hatte sie Angst, die einzige andere Person zu vernichten, die ihr etwas bedeutete, der es gelungen war, den Weg zu ihrer Seele zu finden: Nicolae.
Ich will dich mit Herz und Seele. Mit jedem Atemzug.
Er ließ nicht locker. Plötzlich begriff sie etwas. Er hatte sie in all den Jahren unermüdlich gesucht, aber nicht aus den Gründen, die sie vermutet hatte, sondern um ein tiefes Verlangen, einen Hunger und eine Sehnsucht zu stillen, dieselbe Sehnsucht, die sie jetzt empfand. Eine Sehnsucht, die niemals aufhören würde. Sie hatte nicht die Kraft, sie beide von dieser gefährlichen Beziehung zu befreien.
»Wo bist du, Gott?« Destiny schrie es in den Himmel hinaus, wie sie es schon so oft getan hatte.
Der Wind brachte die Antwort. Er strich zart über ihre Haut und zerzauste liebevoll ihr Haar. Der Wind hüllte sie inmitten der Schönheit des nächtlichen Himmels zärtlich ein. Die Wolken verschoben sich, um sie hindurch zulassen. Ein feiner Nebel zog hinter ihr her und bestäubte ihre Haut mit kühlem Dunst. Falls es Spuren von Tränen gab, waren sie nicht zu erkennen.
Komm zu mir zurück, Destiny. Seine Stimme bot Trost. Sie bot ihr das Paradies an, alles.
Warum willst du mich ? Weil ich das Licht bin, das so hell leuchtet, dass du nicht in Gefahr bist, auf die dunkle Seite überzugehen? Ist das alles, was uns verbindet? Das und die Anziehungskraft, die zwischen uns besteht? Ich kenne dich doch gar nicht!
Der Wind raunte ihr leise etwas zu, das wie ein sanftes Wiegenlied klang. Sie konnte fühlen, wie die Wildheit in ihrem Inneren nachließ und ihr Herz und ihre Lunge wieder mühelos arbeiteten. Ein kaum hörbarer Laut, schwach und weit entfernt, weckte ihre Aufmerksamkeit, und fast ohne sich dessen bewusst zu sein, wechselte sie die Richtung und kehrte zur Stadt zurück.
Du musst nur in mich hineinschauen, Destiny, um zu erfahren, was du wissen willst. Um wirklich zu lieben, musst du dich für Nähe entscheiden, dafür, deinen Gefährten intim kennenzulernen. Diese Wahl hast du noch nicht getroffen.
Ich war mit dir intim! Der Vorwurf, dass sie etwas vor ihm zurückhielt, machte sie zornig. Es war ihr nicht leichtgefallen, ihm körperlich so nahe zu kommen. Wie konnte er so etwas auch nur denken!
Nähe ist viel mehr als körperliche Intimität, meine Kleine.
Die Lichter der Stadt, die wie Tausende Sterne funkelten, zogen sie zurück zu den Menschen und zurück zu Nicolae. Sie wusste, dass er wartete und sie beobachtete. Wie viel Macht hatte er tatsächlich? Hatte er ihre Gefühle zu ihm irgendwie beeinflusst, Sie auf eine Art und Weise verstärkt, die sie nicht durchschauen konnte? Destiny kannte die Antwort. Sie war ihm verfallen, vollständig und gänzlich verfallen.
Destiny landete leichtfüßig auf dem Boden und nahm ihre menschliche Gestalt an. Schon bewegte sie sich, überprüfte die Umgebung und eilte aus der abgelegenen Gasse auf die Straße hinaus. Irgendwo aus der Nähe kam das leise Geräusch, das sie beim Fliegen abgelenkt hatte. Es war das gedämpfte Weinen eines Kindes, das an ihr Herz rührte. Sie ging schneller, mit lautlosen Schritten und selbstbewusster Haltung.
So spät am Abend waren kaum noch Menschen unterwegs. Destiny forschte in den verschiedenen Wohnhäusern nach dem Aufenthaltsort des Kindes. Die meisten Gebäude waren dunkel und ruhig. Aus einigen Wohnungen drang das Plärren von Fernsehapparaten, in anderen wurde Musik gespielt. Das Kind strahlte spürbare Wellen von Kummer aus. Destiny bog zielsicher in eine Seitenstraße, wo die Wohnblocks kleinen, eng beieinanderstehenden Einfamilienhäusern wichen. Morsche Zäune trennten die Grundstücke voneinander; die Farbe an den dünnen Außenmauem war brüchig und verwittert; Türen und
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