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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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spritzend gegen ihr Bein. Der Absatz ihres Stiefels rutschte über die abgenutzten Holzbretter unter ihr, und sie hatte das Gefühl, als hätte sie ihren Zeh in eine Dreschmaschine aus dem neunzehnten Jahrhundert gesteckt. Im Grunde war sie sich sicher, dass das alles nur eine Halluzination war. Doch sie spürte, wie ihr Stiefel über den Brückenboden glitt, und begriff, dass ihre Halluzination sie in Stücke reißen würde, wenn sie jetzt vom Motorrad absprang.
    Sie warf einen Blick zurück und versuchte zu begreifen, was geschehen war. Ein Dichtungsring flog durch die Luft und verschwand in der Dunkelheit. Der V orderreifen schlingerte. Die Welt kippte zur Seite weg, während der Hinterreifen ausbrach und über die losen Bretter rutschte.
    Sie erhob sich vom Sitz und verlagerte ihr ganzes Gewicht nach links – es war, als hielte sie das Motorrad durch pure Willenskraft aufrecht. Es rutschte seitlich über die Bretter. Schließlich griffen die Reifen wieder, und die Maschine kam ruckelnd zum Stehen. Zum Glück gelang es ihr, sich mit einem Bein abzustützen und einen Sturz zu verhindern. Sie biss die Zähne zusammen, während sie mit dem Gewicht der Maschine kämpfte.
    V ics Keuchen hallte im scheunenähnlichen Inneren der Shorter Way Bridge wider, die sich in den sechzehn Jahren, seit V ic sie das letzte Mal gesehen hatte, nicht verändert hatte.
    Sie zitterte unter der dicken Motorradjacke.
    »Das ist nicht real«, sagte sie und schloss die Augen.
    Sie hörte das leise Rascheln der Fledermäuse über ihr.
    »Nicht real«, wiederholte sie.
    Jenseits der Wände vernahm sie das leise Zischen von Störgeräuschen.
    V ic schürzte die Lippen und atmete ruhig und gleichmäßig ein und aus. Sie stieg vom Motorrad ab und hielt es am Lenker aufrecht.
    Dann öffnete sie die Augen, hielt den Blick aber auf ihre Füße gerichtet. Sie sah die grauen, abgenutzten Holzbohlen und einen flackernden Lichtsturm, der durch die Ritzen durchschien.
    »Nicht real«, sagte sie ein drittes Mal.
    Erneut schloss sie die Augen. Sie drehte das Motorrad in die Richtung, aus der sie gekommen war. Dann ging sie los. Sie spürte, wie sich die Holzbohlen unter dem Gewicht der Triumph Bonneville durchbogen. Ihre Brust fühlte sich eng an, das Atmen fiel ihr schwer, und ihr wurde übel. Sie würde wieder in die Klinik zurückkehren müssen. Sie würde nicht mehr für Wayne da sein können. Bei dem Gedanken schnürte sich ihr vor Trauer die Kehle zu.
    »Das ist nicht real . Es gibt keine Brücke. Ich habe meine Medikamente nicht genommen und habe deshalb Halluzinationen. Das ist alles.«
    Sie schloss die Augen und ging Schritt um Schritt vorwärts. Und als sie irgendwann die Augen wieder öffnete, stand sie mit dem kaputten Motorrad auf der Straße.
    Sie blickte über die Schulter zurück. Hinter sich sah sie nur den Highway.

Das Haus am See
    D er spätnachmittägliche Nebel war wie ein Umhang, der aufschwang, um V ic McQueen und ihre Höllenmaschine in Empfang zu nehmen und das Motorengeräusch zu verschlucken. Danach schloss er sich wieder.
    »Komm, Hooper«, sagte Wayne. »Lass uns reingehen.«
    Hooper stand am Straßenrand und blickte ihn verständnislos an.
    Wayne rief erneut nach ihm, als er das Haus erreicht hatte. Er hielt die Tür auf und wartete darauf, dass der Hund herbeigelaufen kam. Doch stattdessen drehte Hooper seinen großen, zottigen Kopf weg und blickte weiter die Straße hinunter – allerdings nicht dorthin, wo Waynes Mutter verschwunden war, sondern in die entgegengesetzte Richtung.
    Wayne konnte nicht feststellen, was Hoopers Blick fesselte. Wer wusste schon, was Hunde sahen? Was die Umrisse im Nebel für sie bedeuteten? Welchen abergläubischen V orstellungen sie anhingen? Hunde waren sicher genauso abergläubisch wie Menschen. V ielleicht sogar noch mehr.
    »Wie du willst«, sagte Wayne und schloss die Tür.
    Mit dem iPhone in der Hand setzte er sich vor den Fernseher und textete ein bisschen mit seinem V ater:
    Bist du schon am Flughafen?
    Jep. Mein Flug wurde auf 3 verschoben. Hab also ’ne Menge Zeit.
    EB. Was machst du jetzt?
    Was essen gehen. Ist nie falsch.
    Mama hat das Motorrad repariert. Sie fährt grad damit rum.
    Trägt sie einen Helm?
    Ja. Hab drauf bestanden. Die Jacke auch.
    Super. Die Jacke gibt +5 auf die Körperrüstung.
    LOL. IHDL. Guten Flug.
    Wenn der Flieger abstürzt, denk dran: Immer Plastikfolien um die Comics tun. Hab dich auch lieb.
    Wayne griff nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher ein

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