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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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sagen?«
    »Lassen Sie mich frei«, sagte Wayne.
    »Das werde ich«, erwiderte Manx.
    Sie rasten am Greenbough Diner vorbei, wo Wayne und seine Mutter am V ormittag gefrühstückt hatten. Inzwischen kam Wayne das alles wie ein halb vergessener Traum vor. Hatte er wirklich Charlie Manx’ Schatten gesehen, als er aufgewacht war? Offenbar ja.
    »Ich wusste, dass Sie kommen werden«, sagte Wayne. Er war selbst überrascht, sich das sagen zu hören. »Ich wusste es schon den ganzen Tag.«
    » V orfreude ist die schönste Freude«, sagte Manx. Er zuckte zusammen, als Bing ein weiteres Stück Klebeband befestigte.
    Das Lenkrad drehte sich sanft hin und her, und der Wagen schnurrte um die Kurven.
    »Fährt dieses Auto von selbst?«, fragte Wayne. »Oder bilde ich mir das nur ein wegen dem Zeug, das der Mann mir ins Gesicht gesprüht hat?«
    »Halt den Mund!«, schrie der Gasmaskenmann ihn an. »Hier wird nicht mehr geredet oder gelacht, sonst schneid ich dir die Zunge ab!«
    »Hörst du wohl auf, solche Dinge zu sagen?«, fauchte Manx. »Ich unterhalte mich gerade mit dem Jungen. Deine Zwischenrufe kannst du dir sparen.«
    Beschämt widmete sich der Gasmaskenmann wieder den V erletzungen in Manx’ Gesicht.
    »Du hast keine Halluzinationen, und das Auto fährt auch nicht von selbst«, sagte Manx zu Wayne. »Ich steuere es. Der Wagen und ich, wir sind eins. Es ist ein echter Rolls-Royce Wraith, 1938 in Bristol gebaut und ein Jahr später nach Amerika verschifft. Aber der Wagen ist auch eine V erlängerung meiner Gedanken und kann mich über Straßen tragen, die nur in meiner Fantasie existieren.«
    »So«, sagte Bing. »Alles wieder heil.«
    Manx lachte. »Dafür müssten wir wohl zurückfahren und im V orgarten nach den Resten meines Ohrs suchen.«
    Bing verzog das Gesicht. Seine Schultern sackten herab, und er begann leise zu schluchzen.
    »Aber er hat mir doch was ins Gesicht gesprüht«, sagte Wayne. »Etwas, das nach Lebkuchen gerochen hat.«
    »Nur ein leichtes Beruhigungsmittel. Wenn Bing sein Spray richtig benutzt hätte, würdest du jetzt friedlich schlafen.« Manx warf seinem Reisegefährten einen kühlen, angewiderten Blick zu.
    Wayne dachte darüber nach. Es kostete ihn enorme Anstrengung, einen klaren Gedanken zu fassen.
    »Wie kommt es, dass das Spray auf Sie beide keine Wirkung hat?«, fragte er schließlich.
    »Hm?«, sagte Manx. Er musterte sein weißes Seidenhemd hinab, das jetzt mit roten Flecken übersät war. »Ach so. Du bist dort hinten in deinem eigenen Universum. Ich lasse nichts nach vorn kommen.« Er seufzte schwer. »Dieses Hemd ist nicht mehr zu retten! Eine Schweigeminute wäre angebracht. Es handelt sich um ein Seidenhemd von Riddle-McIntyre, den besten Hemdenherstellern im Mittleren Westen seit über hundert Jahren. Gerald Ford hat nur Riddle-McIntyres getragen. Jetzt kann man es bloß noch als Putzlappen verwenden. Blut geht aus Seide nicht mehr raus.«
    »Blut geht aus Seide nicht mehr raus«, flüsterte Wayne. Der Satz wirkte auf ihn seltsam epigrammatisch, wie eine äußerst bedeutsame Tatsache.
    Manx betrachtete ihn vom Fahrersitz aus. Waynes Blick flackerte, als würden sich ständig Wolken vor die Sonne schieben. Aber die Sonne war draußen gar nicht zu sehen, das grelle Pulsieren existierte nur in seinem Kopf. Er stand unter Schock, und deshalb verlief die Zeit für ihn anders – mal blieb sie fast stehen, dann beschleunigte sie wieder unvermittelt.
    Aus der Ferne hörte Wayne ein Geräusch, ein hungriges, ungeduldiges Jammern. Einen Moment lang hielt er es für menschliche Schreie. Er erinnerte sich daran, wie Manx mit dem Silberhammer auf seine Mutter eingedroschen hatte, und glaubte, sich übergeben zu müssen. Aber als das Geräusch näher kam, erkannte er, dass es eine Sirene war.
    »Anscheinend hat sie die Polizei gerufen«, sagte Manx. »Das muss man deiner Mutter lassen. Sie fackelt nicht lange, wenn es darum geht, mir Schwierigkeiten zu bereiten.«
    »Was werden Sie tun, wenn die Polizei uns entdeckt?«, fragte Wayne.
    »Ich glaube nicht, dass sie uns anhalten werden. Sie sind in die Gegenrichtung unterwegs.« V or ihnen fuhren die Autos an den Straßenrand. Auf der Kuppe eines niedrigen Hügels tauchte ein Blaulicht auf, das auf sie zugerast kam. Der Wraith machte ebenfalls Platz, hielt jedoch nicht an, sondern rollte langsam weiter.
    Der Polizeiwagen rauschte mit knapp hundert Sachen an ihnen vorbei. Wayne sah ihm hinterher. Der Fahrer hatte ihnen nicht mal einen Blick

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