Christmasland (German Edition)
zugeworfen. Der Wraith nahm wieder Fahrt auf. Manx hatte die Sonnenblende heruntergeklappt und betrachtete sein Gesicht im Spiegel.
Das Pulsieren in Waynes Kopf hatte nachgelassen, wie ein Rouletterad, das langsam zum Stillstand kam. Gleich würde die Kugel in eine der roten oder schwarzen V ertiefungen fallen. Wayne hatte keine Angst. Darüber war er längst hinweg. Er kam hoch und setzte sich auf die Rückbank.
»Sie sollten zu einem Arzt gehen«, sagte er zu Manx. »Wenn Sie mich irgendwo im Wald absetzen, könnten Sie sich behandeln lassen, bevor ich in die Stadt zurückgekehrt bin oder mich irgendjemand findet.«
»Danke für deine Besorgnis, aber ich habe keine Lust, mich in Handschellen behandeln zu lassen«, sagte Manx. »Die Straße wird mich heilen. So wie immer.«
»Wo fahren wir denn hin?«, fragte Wayne. Seine eigene Stimme schien ihm aus weiter Ferne zu kommen.
»Zum Christmasland.«
»Christmasland«, wiederholte Wayne. »Was ist das?«
»Ein ganz besonderer Ort. Ein besonderer Ort für besondere Kinder.«
»Wirklich?« Wayne dachte eine Weile lang nach, dann sagte er: »Ich glaube Ihnen nicht. Das sagen Sie nur, um mich zu beruhigen.« Er hielt inne und nahm dann allen Mut zusammen, um noch eine Frage zu stellen. »Werden Sie mich umbringen?«
»Ich bin überrascht, dass du das fragst. Es wäre doch ein Leichtes gewesen, dich beim Haus deiner Mutter umzubringen. Nein. Und das Christmasland gibt es wirklich. Es ist nur nicht so einfach zu finden. Der einzige Weg, der dorthin führt, ist auf keiner Karte verzeichnet. Das Christmasland liegt jenseits unserer Welt und ist doch nur ein paar Kilometer von Denver entfernt. Es befindet sich hier in meinem Kopf.« Manx tippte sich mit dem Finger gegen die rechte Schläfe. »Und ich nehme es überall mit hin. Dort leben noch andere Kinder, und keines von ihnen wird gegen seinen Willen dort festgehalten. Sie würden das Christmasland niemals verlassen wollen. Sie freuen sich schon darauf, dich kennenzulernen, Wayne Carmody. Sie wollen deine Freunde sein. Du wirst ihnen bald begegnen und dich schnell einleben.«
Der Asphalt rumpelte und summte unter den Reifen.
»Die letzte Stunde ist sehr aufregend gewesen«, sagte Manx. »Leg dich ein bisschen hin. Wenn irgendwas Interessantes passiert, werde ich dich wecken. V ersprochen!«
Eigentlich wollte Wayne nicht auf Charlie Manx hören, aber kurz darauf fand er sich auf der Seite liegend wieder, den Kopf auf den gemütlichen Ledersitz gebettet. Es gab wohl kaum ein beruhigenderes Geräusch als das Murmeln der Straße unter den Reifen.
Es klickte und klickte, und schließlich hielt das Rouletterad an. Die Kugel war auf Schwarz gefallen.
Der See
V ic schwamm zum flachen Uferbereich und kroch die letzten Meter auf allen vieren aus dem See. Als sie sich auf den Rücken rollte, hingen die Beine noch im Wasser. Sie zitterte am ganzen Körper und gab erstickte Geräusche von sich, die zu wütend klangen, um Schluchzer zu sein. V ielleicht weinte sie auch. Sie war sich nicht sicher. Ihr Bauch tat weh, als hätte sie sich eine ganze Nacht lang die Seele aus dem Leib gekotzt.
Bei Entführungen sind die ersten dreißig Minuten entscheidend, ging es ihr durch den Kopf. Das hatte sie mal im Fernsehen gehört.
Sie glaubte zwar nicht, dass es irgendeine Rolle spielte, was sie in den nächsten dreißig Minuten tat. Kein Bulle der Welt war in der Lage, Charlie Manx und den Wraith zu finden. Dennoch kämpfte sie sich hoch. Sie durfte nichts unversucht lassen.
Schwankend wie eine Betrunkene bei starkem Wind folgte sie dem Trampelpfad zur Hintertür des Häuschens, wo sie erneut zu Boden sank. Auf Händen und Knien kroch sie die Treppe hoch und richtete sich dort mithilfe des Treppengeländers auf. Das Telefon begann zu klingeln. V ic zwang sich weiterzugehen, obwohl sie erneut einen heftigen Schmerz im Bauch verspürte, der ihr einen Moment lang den Atem raubte.
Sie taumelte durch die Küche zum Telefon. Beim dritten Klingeln nahm sie ab, kurz bevor sich der Anrufbeantworter einschalten konnte.
»Ich brauche Hilfe«, sagte V ic. »Wer ist da? Sie müssen mir helfen. Jemand hat meinen Sohn entführt.«
»Schon in Ordnung, Ms. McQueen«, sagte das kleine Mädchen am anderen Ende der Leitung. »Papa ist ein guter Fahrer, und Wayne wird sich unterwegs nicht langweilen. Er wird bald hier sein. Hier im Christmasland. Und dann werden wir ihm all unsere Spiele zeigen. Ist das nicht schön?«
V ic legte auf und wählte die
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