Christmasland (German Edition)
kein Platz. V ielleicht wärst du ja mehr an mir interessiert, wenn ich ein Buch wäre.«
In dem Moment hatte sie ihn gehasst, auch wenn er vielleicht nicht ganz unrecht gehabt hatte. Später war sie zu der Feststellung gelangt, dass er, wenn er denn ein Buch gewesen wäre, auf den Regalen Betriebswirtschaft & Finanzen seinen Platz gefunden hätte. Sie bevorzugte Science Fiction & Fantasy .
Hutter und Daltry standen auf dem leeren Parkplatz beieinander. Hutter konnte durch das große Schaufenster des Tankstellengebäudes sehen. Der Pakistani hinter der Kasse warf ihnen immer wieder nervöse Blicke zu. Hutter hatte ihm erklärt, er stünde nicht unter Beobachtung und die Regierung sei ihm äußerst dankbar für seine Unterstützung, aber er glaubte wahrscheinlich trotzdem, dass sein Telefon abgehört wurde und dass sie ihn für einen potenziellen Terroristen hielten.
»Meinen Sie, Sie hätten lieber nach Pennsylvania gehen sollen?«, fragte Daltry.
»Je nachdem, wie’s hier läuft, hol ich das morgen nach.«
»Was für eine gottverdammte Freak-Show«, sagte Daltry.
Die ganze Nacht hindurch hatte Hutter V oicemails und E-Mails erhalten, die das Haus an der Bloch Lane in Sugar Creek betrafen. Das Gebäude war mit einem Zelt abgedeckt worden, und wer hinein wollte, musste einen Gummianzug und eine Gasmaske tragen – als wäre die ganze Bude mit Ebola- V iren verseucht. Ein Dutzend Kriminaltechniker ackerten dort und nahmen alles auseinander. In seinem Kellerraum hatten sie einen Haufen Knochen gefunden. Der Kerl, der dort gewohnt hatte, ein gewisser Bing Partridge, hatte die meisten Leichenteile in Lauge aufgelöst, und was er nicht vernichten konnte, hatte er in seinem Keller vergraben.
Partridge hatte noch keine Zeit gefunden, sein letztes Opfer aufzulösen, einen Typ namens Nathan Demeter aus Kentucky – die Leiche, die V ic McQueen am Telefon erwähnt hatte. Er war vor etwas mehr als zwei Monaten verschwunden, zusammen mit seinem antiken Rolls-Royce Wraith. Demeter hatte den Wagen vor über einem Jahrzehnt bei einer städtischen Auktion ersteigert.
V orher hatte das Auto Charles Talent Manx gehört, einem ehemaligen Insassen des FCI Englewood in Colorado.
Demeter hatte Manx in einer Botschaft erwähnt, die er kurz vor seinem Tod verfasst hatte; er hatte den Namen falsch geschrieben, aber es war offensichtlich, wen er meinte. Hutter hatte einen Scan der Botschaft erhalten und sie ein Dutzend Mal gelesen.
Tabitha Hutter hatte sich die Dewey-Dezimalklassifikation beigebracht und die Bücher in ihrer Wohnung in Boston danach sortiert. Sie besaß eine Plastikbox mit handgeschriebenen Rezepten, die nach Region und Art des Gerichts sortiert waren (Hauptgericht, V orspeise, Nachspeise und eine Kategorie, die sie mit » PKH « bezeichnete – postkoitale Häppchen). Sie fand ein geradezu perverses V ergnügen daran, ihre Festplatte zu defragmentieren.
Manchmal stellte sie sich ihr eigenes Gehirn als ein futuristisches Apartment vor, mit einem durchsichtigen Glasboden, durchsichtiger Glastreppe und Möbeln aus durchsichtigem Kunststoff. Alles schien zu schweben: sauber und ordentlich, nirgendwo ein Staubkörnchen.
Aber die Realität sah leider anders aus, und wenn sie über die letzten zweiundsiebzig Stunden nachdachte, fühlte sie sich ziemlich überfordert. Sie wollte nur zu gern glauben, dass Informationen zu Klarheit führten. Allerdings hatte sie nicht zum ersten Mal in ihrem Leben den Eindruck, dass das Gegenteil der Fall war. Informationen waren wie ein Glas voller Fliegen. Wenn man den Deckel aufschraubte, schwirrten sie in alle Richtungen davon. Und nun viel Glück bei dem V ersuch, sie alle wieder einzufangen!
Hutter atmete die nach Moos duftende Nachtluft ein, schloss die Augen und katalogisierte die Fliegen:
V ictoria McQueen war im Alter von siebzehn Jahren von Charles Manx entführt worden, und sie war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht sein erstes Opfer gewesen. Damals fuhr er einen Rolls-Royce Wraith, Baujahr 1938. V ic gelang die Flucht, und Manx kam ins Gefängnis, weil er sie über eine Bundesstaatengrenze verschleppt und dann auch noch einen Soldaten im aktiven Dienst ermordet hatte. In gewisser Hinsicht war V ic ihm jedoch nie entkommen. Wie so viele Opfer traumatischer Erlebnisse und – wahrscheinlich – sexuellen Missbrauchs war sie suchtkrank und ein bisschen wahnsinnig. Sie stahl Dinge, nahm Drogen, bekam ein uneheliches Kind und fackelte eine Reihe gescheiterter
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