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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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dreißig Meter südlich der Einfahrt, die zum Haus von Christopher McQueen hinaufführte.
    Im Wald, ganz in der Nähe von McQueens Hütte, hielten sich mehrere Teams mit V ideokameras und Parabolmikrofonen bereit. Bis eben hatte Hutter, im unnatürlichen Smaragdgrün der Nachtsichtgeräte, auf zwei Bildschirmen die Einfahrt sehen können. Jetzt flimmerten sie nur noch grünlich.
    Das Bild war im selben Moment weggeblieben wie der Ton. Gerade hatte Hutter noch zugehört, wie sich Chris McQueen und Louis Carmody leise in der Küche unterhalten hatten. McQueen hatte Carmody einen Kaffee angeboten. Im nächsten Augenblick war jedes Signal von einem starken Rauschen verschluckt worden.
    »Keine Ahnung«, sagte Cundy. »Hier funktioniert überhaupt nichts mehr.« Er hackte auf der Tastatur seines kleinen Laptops herum, aber der Bildschirm blieb schwarz. »Als hätte uns ein verfickter EMP erwischt.« Cundy war niedlich, wenn er fluchte: ein eleganter Schwarzer mit hoher Stimme und einem britischen Akzent, der so tat, als käme er aus dem Getto und nicht direkt vom MIT .
    Daltry nahm den Kopfhörer ab, sah auf seine Armbanduhr und lachte. Er klang überrascht und nicht im Mindesten belustigt.
    »Was ist?«, fragte Hutter.
    Daltry drehte das Handgelenk, sodass sie seine Uhr sehen konnte. Sie sah fast so alt aus wie er selbst, eine Uhr mit Zeigern und einem angelaufenen Silberarmband, das bestimmt irgendwann einmal gefärbt gewesen war, um wie Gold auszusehen. Der Sekundenzeiger drehte sich fortwährend im Kreis, und das auch noch rückwärts. Stunden- und Minutenzeiger standen völlig still.
    »Meine Uhr hat den Geist aufgegeben«, sagte er und lachte erneut, wobei er dieses Mal Cundy anschaute. »Ist dieser ganze Scheißdreck hier daran schuld? Die ganze Elektronik? Ist da irgendwas in die Luft geflogen und hat meine Uhr kaputtgemacht?«
    »Keine Ahnung«, sagte Cundy. » V ielleicht hat uns ein Blitz getroffen.«
    »Was für ein gottverdammter Blitz denn? Hat es vielleicht gedonnert?«
    »Ich hab einen Knall gehört«, sagte Hutter. »Genau in dem Moment, als alles ausgefallen ist.«
    Daltry kramte in seiner Tasche und holte seine Zigaretten hervor, doch da fiel ihm offenbar ein, dass Hutter neben ihm saß. Er warf ihr einen enttäuschten Blick zu und ließ die Packung wieder in der Tasche verschwinden.
    »Wie lange wird es dauern, bis wir wieder etwas sehen und hören können?«, fragte Hutter.
    » V ielleicht ein Sonnenfleck«, murmelte Cundy, als hätte sie nichts gesagt. »Ich habe gehört, dass gerade ein ziemlicher Sonnensturm tobt.«
    »Ein Sonnenfleck«, sagte Daltry und legte die Hände aneinander, als wollte er beten. »Ein Sonnenfleck, denken Sie, ja? Man merkt wirklich, dass Sie sechs Jahre aufs College gegangen sind und einen Abschluss in Neurowissenschaften gemacht haben, denn nur ein wirklich kluger Geist kann sich einen solchen Schwachsinn ausdenken. Draußen ist es dunkel, du autistisches Arschgesicht!«
    »Cundy«, sagte Hutter, bevor Cundy sich auf seinem Stuhl umdrehen und einen Streit darüber vom Zaun brechen konnte, wer den längeren Schwanz hatte. »Wie lange, bis wir wieder online sind?«
    Er zuckte mit den Achseln. »Kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Fünf Minuten? Zehn? Um das ganze System neu zu booten? Es sei denn, da draußen findet ein Atomkrieg statt. In dem Fall könnte es etwas länger dauern.«
    »Dann gehe ich mal nach dem Atompilz schauen«, sagte Tabitha Hutter, stand auf und schob sich seitwärts zur Hecktür.
    »Ja«, sagte Daltry. »Ich auch. Wenn die Raketen unterwegs sind, möchte ich noch eine rauchen, bevor wir ausgelöscht werden.«
    Hutter stieß die schwere Metalltür auf und sprang in die feuchte Nacht hinaus. Nebel hing unter den Straßenleuchten. Die Dunkelheit war vom Gesang der Insekten erfüllt. Auf der anderen Straßenseite tanzten Glühwürmchen zwischen Farnwedeln und tauchten sie in grünes Licht.
    Daltry stieg neben ihr aus dem Wagen. Seine Knie knackten.
    »Himmel«, sagte er. »Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich in meinem Alter längst an irgendwas gestorben bin.«
    Seine Anwesenheit munterte Hutter nicht eben auf, sondern führte ihr stattdessen vor Augen, wie einsam sie war. Warum hatte sie keine V ertrauten? Als ihr letzter Freund mit ihr Schluss gemacht hatte, hatte er gesagt: »Keine Ahnung, vielleicht bin ich langweilig, aber ich habe nie das Gefühl, dass du anwesend bist, wenn wir zusammen sind. Du lebst in deinem Kopf. Ich nicht. Für mich ist da

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