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Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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entfernt war, ging die Ladung hoch. Der Boden unter ihr schien Wellen zu schlagen. Die Luft, die sie einatmete, war so heiß, dass ihre Lunge brannte. Das Motorrad machte einen Satz nach vorn, und der sengende Wind zerrte an ihren Schultern. Sie spürte einen scharfen Schmerz im Unterleib, als wäre ihr noch ein Messer in den Körper gerammt worden.
    Die Schlittenachterbahn fiel in sich zusammen wie ein Haufen schlecht geschichtetes Kleinholz. Einer der Wagen löste sich von den Gleisen und flog durch die Nacht, ein loderndes Geschoss, das durch die Finsternis segelte und in das Rentierkarussell krachte. Stahl quietschte. V ic schaute zurück und sah dort, wo gerade noch die Achterbahn gewesen war, einen Rauchpilz aufsteigen.
    Sie wandte den Blick wieder nach vorn, legte den ersten Gang ein und wich dem qualmenden Kopf eines Rentiers aus, der mit geborstenem Geweih auf der Straße lag. Sie bog in eine weitere Seitenstraße ein, die, wie sie glaubte, zum Rondell zurückführte. Sie hatte einen üblen Geschmack im Mund und spuckte Blut aus.
    Ich sterbe, dachte sie überraschend ruhig.
    Am Fuß des gewaltigen Riesenrads fuhr sie etwas langsamer. Tausend blaue Lichter zuckten über die Speichen des wunderschönen Gefährts. Kabinen mit getönten Scheiben, in die ein Dutzend Leute passten, drehten sich traumverloren.
    V ic holte einen weiteren Beutel ANFO hervor, stellte die Zeitschaltuhr auf ungefähr fünf Minuten und warf ihn nach oben. Er blieb an einer der Speichen hängen, nicht weit von der Radnabe entfernt. V ic musste an ihr Raleigh Tuff Burner denken, an das Surren der Räder im herrlichen Herbstlicht Neuenglands. Dorthin würde sie nicht mehr zurückkehren. Dieses Licht würde sie nie wieder sehen. Ihr Mund füllte sich erneut mit Blut. Inzwischen saß sie auch in Blut. Immer und immer wieder fuhr ihr ein heftiger Schmerz ins Kreuz. Allerdings litt sie nicht im herkömmlichen Sinn. Natürlich tat es weh, aber die Schmerzen waren wie Geburtsschmerzen von der Empfindung begleitet, dass etwas Unmögliches möglich gemacht wurde, dass sie im Begriff war, eine gewaltige Unternehmung zu Ende zu führen.
    Sie fuhr weiter und erreichte bald wieder das Rondell.
    Charlie’s Costume Carnival – ein massiver Flammenwürfel, der kaum noch als Gebäude erkennbar war – erhob sich fünfzig oder sechzig Meter entfernt an der Straßenecke. Auf der anderen Seite des großen Weihnachtsbaums stand der Rolls-Royce. Unter den Ästen hindurch sah sie das Glimmen seiner Scheinwerfer. V ic bremste nicht ab, sondern hielt direkt auf den Baum zu. Dabei ließ sie den Rucksack von ihrer linken Schulter gleiten und griff hinein, während sie mit der anderen Hand den Gasgriff festhielt. Sie ertastete die Zeitschaltuhr, drehte am Ziffernblatt und drückte auf den Einschaltknopf.
    Das V orderrad hüpfte über den niedrigen Bordstein, und sie landete auf dem mit einer dünnen Schneeschicht bedeckten Gras. Dunkle Gestalten lösten sich aus der Finsternis – Kinder, die ihr den Weg versperrten. V ic fragte sich, ob sie ihr wohl ausweichen würden oder ob ihr nichts anderes übrig bleiben würde, als mitten durch sie hindurchzupflügen.
    Ein gleißend heller Lichtblitz zuckte auf, und plötzlich war alles in rotes Leuchten getaucht. Einen Moment lang konnte sie ihren eigenen Schatten sehen, der ihr, unfassbar lang, vorauseilte. Die Kinder wurden aus der Finsternis gerissen, eine Horde kalter Puppen in blutbefleckten Schlafanzügen, Kreaturen, die mit geborstenen Brettern, Messern, Hämmern und Scheren bewaffnet waren.
    Lautes Getöse und das Kreischen gequälten Metalls erfüllten die Nacht. Hinter ihr schossen zwei Flammenzungen aus dem Riesenrad empor, und der gewaltige Reif fiel von den Sprossen. Der Aufprall ließ die Erde erbeben, und der Himmel über dem Christmasland verwandelte sich wieder in ein Flimmern. Die Zweige der kolossalen Tanne schlugen wie hysterisch ihre Klauen in den Himmel, ein Riese, der um sein Überleben kämpfte.
    V ic glitt unter den wild um sich schlagenden Ästen hindurch. Sie wuchtete den Rucksack von ihrem Schoß und warf ihn gegen den Stamm – ihr Weihnachtsgeschenk für Charles Talent Manx.
    Hinter ihr rollte das Riesenrad durch den Park. Eisen knirschte über Stein. Dann kippte es wie ein Groschen, der über den Tisch rollte und aus dem Gleichgewicht geriet, langsam um und fiel auf zwei Gebäude.
    Hinter dem Riesenrad und der Ruine der Schlittenachterbahn löste sich eine gewaltige Schneelawine von den

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