Christmasland (German Edition)
in ihre Arme schließen würden.
Die Triumph rumpelte über die Schwelle zur Brücke und ratterte über die Bohlen. Zu ihrer Linken sah V ic, in der ihr wohlvertrauten grünen Sprayfarbe, drei hingeschmierte Buchstaben:
LOU ➛
Der Wraith donnerte hinter ihr auf die Brücke, rammte das alte verrostete Raleigh und schleuderte es durch die Luft. Der Schnee folgte mit großem Getöse und verstopfte das vordere Ende der Brücke wie ein Korken, der in eine Flasche gedrückt wird.
» DU FOTZE! «, schrie Charlie Manx, und seine Stimme hallte durch den riesigen Hohlraum. » DU TÄTOWIERTE HURE! «
Die Stoßstange krachte von hinten in die Triumph, die ins Schlingern geriet. V ics Schulter knallte mit solcher Wucht gegen die Wand, dass sie fast aus dem Sattel gerissen wurde. Bretter barsten, und dahinter kam das Lichtgestöber zum V orschein. Die Shorter Way Bridge knarrte und erzitterte.
»Fledermäuse, Mama«, sagte Wayne mit leiser Stimme, die einem viel jüngeren, kleineren Kind zu gehören schien. »Schau doch, lauter Fledermäuse.«
Fledermäuse fielen von der Decke und wirbelten panisch durch die Luft. V ic senkte den Kopf und flog durch sie hindurch. Eine klatschte ihr gegen die Brust, fiel ihr in den Schoß und flatterte hysterisch davon. Eine andere strich ihr mit einem pelzigen Flügel über die Wange. Die Berührung fühlte sich weich, warm und feminin an.
»Keine Angst«, erwiderte V ic. »Die tun dir nichts. Du bist Bruce Wayne! Die Fledermäuse sind auf deiner Seite, Schätzchen.«
»Ja«, pflichtete Wayne ihr bei. »Ja. Ich bin Bruce Wayne.« Als hätte er es für eine Weile vergessen. V ielleicht hatte er das ja auch.
V ic blickte zurück und sah, wie eine Fledermaus mit der Windschutzscheibe des Wraiths kollidierte, und zwar mit solcher Wucht, dass sich direkt vor Charlie Manx’ Gesicht sternenförmige Risse bildeten. Eine zweite Fledermaus klatschte daneben in einer Wolke aus Blut und Fell gegen das Glas. Sie blieb an einem der Scheibenwischer hängen und schlug verzweifelt mit einem zerschmetterten Flügel. Noch mehr Fledermäuse prallten gegen die Scheibe, wurden zur Seite geschleudert und verschwanden in der Finsternis.
Manx schrie und schrie, nicht aus Angst, sondern aus Wut. Die andere Stimme in dem Wagen, die Kinderstimme, rief: »Nein, Papa, nicht so schnell!« V ic wollte sie nicht hören, aber sie hörte sie trotzdem, denn in der Brücke hallte alles besonders laut.
Der Wraith brach nach links aus, und die vordere Stoßstange riss ein Stück Wand ein. Zum V orschein kam wieder das tosende Flimmern, eine Leere jenseits aller Gedanken.
Manx zerrte am Steuer, und der Wraith schlingerte über die Brücke und krachte auf der anderen Seite gegen die Wand. Bretter splitterten, ein Geräusch wie Maschinengewehrfeuer. Fledermäuse prasselten Hagelkörnern gleich auf die Windschutzscheibe ein; das Glas implodierte. Die Fledermäuse flatterten durch den Wagen und klatschten Manx und seiner Tochter gegen die Köpfe. Das kleine Mädchen fing an zu schreien. Manx ließ das Steuer los und schlug wild um sich.
»Haut ab!«, brüllte er. »Haut ab, ihr entsetzlichen Biester!« Dann gingen ihm die Worte aus, und er kreischte nur noch.
V ic gab Gas, und das Motorrad schoss über die Brücke, mitten durch die Finsternis, in der es von Fledermäusen nur so wimmelte. Die Maschine raste dem Ausgang entgegen, mit achtzig, neunzig, hundert Sachen flog sie dahin wie eine Rakete.
Hinter ihr krachte der Kühler des Wraiths durch den Boden der Brücke. Das Heck des Rolls-Royce erhob sich in die Luft. Manx wurde gegen das Lenkrad geschleudert und stieß ein entsetztes Heulen aus.
Der Wraith kippte nach vorn in das weiße Tosen, das wie Schnee aussah, und die Brücke brach auseinander. Die Shorter Way Bridge schien sich zusammenzufalten, und V ic raste plötzlich bergauf. Die Brücke stürzte in der Mitte ein, beide Enden stiegen empor, als würde sie sich wie ein Buch schließen – ein Roman, der an seinem Ende angelangt war, eine Geschichte, die Leser wie Autor gleich beiseitelegen würden.
Der Wraith stürzte durch den brüchigen Boden der Brücke, fiel in das grelle weiße Licht, tausend Meter tief durch die Zeit, bis er im Jahr 1986 im Merrimack River landete, wo er wie eine Bierdose zusammengequetscht wurde, als er auf das Wasser krachte. Der Motorblock durchschlug das Armaturenbrett und grub sich in Manx’ Brust – ein eisernes Herz, zweihundert Kilo schwer. Manx starb mit dem Mund voller
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