Christmasland (German Edition)
der Spüle, trocknete sie ab und stellte sie an ihren Platz zurück. Dann schaltete sie den Fernseher aus. Es war schon recht spät, wie sie an dem Winkel der Lichtstrahlen feststellen konnte, die durch die Bäume fielen.
V ic ging in den Keller zurück, um nach ihren Schuhen zu sehen, aber die waren immer noch feucht. Ihr war langweilig. Unter der Treppe fand sie ihren alten Tennisschläger und eine Packung mit Bällen. Sie wollte die Bälle ein bisschen gegen die Wand schlagen, musste dafür aber erst mal Platz schaffen. Deshalb fing sie an, Kartons zu verrücken – und da fand sie es.
Das Raleigh lehnte an der Betonwand, versteckt hinter einem Stapel Kisten, die für die Heilsarmee bestimmt waren. Es verwirrte V ic, ihr altes Tuff Burner hier zu sehen. Sie hatte irgendeinen Unfall damit gehabt und es danach nie wiedergesehen. Sie erinnerte sich noch, dass ihre Eltern darüber geredet hatten, als sie dachten, V ic könnte sie nicht hören.
Es sei denn. Es sei denn, sie hatte gar nicht das gehört, was sie zu hören geglaubt hatte. Sie erinnerte sich, dass ihr V ater gesagt hatte, V ic würde todtraurig sein, wenn er ihr erzählte, er hätte das Tuff Burner nicht wiedergefunden. Deshalb hatte sie angenommen, es sei weg. Und ihre Mutter hatte gesagt, sie sei froh, wenn sie das Tuff Burner nicht mehr sehen müsse, weil V ic so fixiert darauf war.
Und V ic war tatsächlich darauf fixiert gewesen. Sie hatte sich einen ganzen Haufen Geschichten ausgedacht, wie sie mit dem Tuff Burner über eine imaginäre Brücke zu fernen Orten und in Fantasiewelten gereist war. Sie war damit zum V ersteck von Terroristen gefahren und hatte den verlorenen Armreif ihrer Mutter gerettet und war in eine mit Büchern gefüllte Gruft gereist, wo ihr eine Elfe Tee gemacht und sie vor einem V ampir gewarnt hatte.
V ic strich mit dem Finger über den Lenker, und ihre Fingerspitze war hinterher grau von Staub. Die ganze Zeit hatte das Fahrrad hier unten gestanden und war eingestaubt, weil ihre Eltern es ihr nicht hatten wiedergeben wollen. V ic hatte das Fahrrad geliebt und verdankte ihm Tausende von Geschichten. Und ihre Eltern hatten es ihr einfach weggenommen.
Sie vermisste ihre Geschichten um die Brücke, vermisste das Mädchen, das sie damals gewesen war. Damals war sie ein besserer Mensch gewesen, das wusste sie.
V ic hielt den Blick auf das Fahrrad gerichtet, während sie sich die Turnschuhe anzog (die jetzt warm waren und stanken).
Der Frühling war in vollem Schwange – und obwohl die Sonne brannte wie im Juli, war es im Schatten so eisig wie im Januar. V ic wollte nicht die Straße hinunterfahren, aus Angst, dass ihre Mutter heimkehren und sie entdecken könnte. Deshalb schob sie das Raleigh zur Rückseite des Hauses und auf den Pfad, der in den Wald führte. Es kam ihr wie die natürlichste Sache der Welt vor, sich in den Sattel zu schwingen und loszuradeln.
V ic lachte, als sie aufstieg. Das Fahrrad war inzwischen zu klein für sie, und sie sah sicherlich komisch damit aus. Wie ein Clown, der in einem viel zu kleinen Auto saß. Ihre Knie stießen gegen den Lenker, und ihr Hintern hing über den Sitz. Aber als sie sich auf den Pedalen aufrichtete, war das immer noch ein tolles Gefühl.
Sie fuhr den Hügel hinunter in den Schatten der Bäume hinein, wo es deutlich kälter war als in der Sonne. Der Winter atmete ihr ins Gesicht. Sie fuhr über eine Wurzel und riss den Lenker hoch. Eigentlich hatte sie gar nicht erwartet, dass das Fahrrad vom Boden abheben würde, und sie stieß einen überraschten Aufschrei aus. Einen Moment lang war sie wieder genau das Mädchen, das sie einst gewesen war. Es war ein Wahnsinnsgefühl, wie die Räder sich in der Luft drehten und der Wind an ihren Haaren zerrte.
Sie fuhr nicht direkt zum Fluss, sondern folgte einem schmalen Pfad, der seitwärts über den Hügel führte. V ic brach durchs Unterholz und kam mitten in einer Gruppe Jungs heraus, die um eine brennende Mülltonne standen und einen Joint herumreichten.
»Lasst mich mal ziehen!«, schrie sie, als sie an ihnen vorbeifuhr, und griff spielerisch nach dem Joint.
Der Junge mit der Tüte, ein dürrer Schlaks mit einem Ozzy-Osbourne-T-Shirt, war so überrascht, dass er sich an dem Rauch in seiner Lunge verschluckte. V ic grinste und raste weiter. Der Junge räusperte sich und rief ihr hinterher: » V ielleicht wenn du uns einen bläst, du Schlampe!«
Sie fuhr weiter durch die Kälte, weg von den Jungen. Eine V ersammlung Krähen, die
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