Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christmasland (German Edition)

Christmasland (German Edition)

Titel: Christmasland (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
Vom Netzwerk:
Kerzen standen in ausgehärteten Wachspfützen, und hinter den Kerzen befanden sich mehrere Fotos von Michael Stipe von R.E.M. , einem dürren Schwulen mit blassen Haaren und blassen Augen. Auf eines der Fotos hatte jemand mit kirschrotem Lippenstift LOSING MY RELIGION geschrieben. Bing selbst war der Meinung, dass es seit Abbey Road keine vernünftige Rockmusik mehr gegeben hatte.
    Er stellte die Karte von Mr. Manx und den Ausdruck aus der Denver Post in die Mitte dieses selbst gebastelten Altars und zündete ein paar der Kerzen an. Mit den Füßen machte er ein wenig Platz auf dem Fußboden, schob Betonbrocken und einen schmutzigen Slip beiseite – mit kleinen Herzchen drauf; er sah aus, als würde er von einer Zehnjährigen stammen – und kniete sich hin.
    Er räusperte sich. In dem großen, leeren Kirchenraum klang es wie ein Gewehrschuss.
    Eine Schwalbe flatterte auf und ließ sich auf einem anderen Dachbalken nieder.
    Eine Reihe Tauben beugte sich vor und musterte ihn neugierig aus hellen, tollwütig geröteten Augen.
    Er schloss die Lider, faltete die Hände und begann sein Gespräch mit Gott.
    »Hallo, Gott«, sagte Bing. »Hier ist Bing, das dumme, alte Ding. O Gott. O Gott, Gott, Gott . Bitte hilf Mr. Manx. Er hat die Schlafkrankheit. Ihm geht’s nicht gut. Und ich weiß nicht, was ich machen soll. Wenn er nicht mehr aufwacht und zu mir zurückkommt, werde ich nie ins Christmasland gelangen. Ich habe mir große Mühe gegeben, etwas Sinnvolles mit meinem Leben anzufangen. Ich habe versucht, möglichst viele Kinder zu retten, damit sie Kakao trinken und Karussell fahren können und solche Sachen. Es war nicht leicht. Uns wurden viele Steine in den Weg gelegt. Aber selbst wenn die Mütter schrien und uns beschimpften und die Kinder weinten und sich in die Hosen machten, habe ich sie geliebt. Ich habe die Kinder geliebt und die Mütter, obwohl es schlechte Frauen waren. Und Mr. Manx habe ich von allen am meisten geliebt. Ihm geht es immer nur darum, andere Menschen glücklich zu machen. Ist das nicht das Edelste, was jemand tun kann – ein wenig Glück auf Erden verteilen? Bitte, lieber Gott, wenn du mit unserer Arbeit auch nur ein kleines bisschen zufrieden warst, dann hilf mir, gib mir ein Zeichen, sag mir, was ich tun soll. Bitte, bitte, b… «
    Er hatte den Kopf in den Nacken gelegt und den Mund geöffnet, als ihn plötzlich etwas Warmes auf der Wange traf und er eine salzige, bittere Flüssigkeit auf den Lippen schmeckte. Er zuckte zusammen; es war, als hätte ihm jemand Sperma ins Gesicht gespritzt. Er wischte sich über den Mund und betrachtete seine Finger, die mit einer weißlich-grünen, glitschigen Masse überzogen waren. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass es Taubenscheiße war.
    Bing stöhnte auf. Im Mund schmeckte er den salzig-cremigen Geschmack von V ogelkacke. Das Zeug auf seiner Hand sah aus wie ekliger Auswurf. Sein Stöhnen wurde zu einem Aufschrei, und er krabbelte rückwärts, wobei er Glassplitter und Betonbrocken mit den Füßen wegstieß. Mit der anderen Hand landete er auf etwas, was feucht und klebrig war und an die weiche Oberfläche von Frischhaltefolie erinnerte. Er blickte nach unten und stellte fest, dass es ein benutztes Kondom war, auf dem Ameisen herumkrabbelten.
    Entsetzt und angeekelt hob er die Hand, doch das Kondom klebte an seinen Fingern fest. Er schüttelte ein-, zweimal die Hand, es flog durch die Luft und landete in seinen Haaren. Erneut stieß er ein lautes Kreischen aus. Die V ögel in den Dachbalken flatterten erschrocken auf.
    »Was?«, schrie er die Kirche an. » Was? Ich habe auf Knien gebetet! AUF DEN KNIEN! Und was machst du? WAS? «
    Er griff nach dem Kondom und zerrte daran, wobei er sich gleich ein ganzes Büschel seiner dünnen grauen Haare mit ausriss (wann waren sie so grau geworden?). Staub wirbelte im Licht auf.
    Im Laufschritt eilte Bing Partridge den Hügel hinunter. Er fühlte sich beschmutzt und krank … beschmutzt, krank und wütend . Wie ein Betrunkener torkelte er an den Windrädchen in seinem V orgarten vorbei. Er knallte die Tür hinter sich zu.
    Zwanzig Minuten später trat der Gasmaskenmann aus dem Haus, in jeder Hand eine Flasche Feuerzeugbenzin.
    Bevor er das Gebäude in Brand steckte, vernagelte er noch die Löcher in den Fenstern, damit die V ögel nicht herauskamen. Eine Flasche Benzin leerte er über den Kirchenbänken und den Haufen aus zerbrochenem Holz auf dem Fußboden. Die andere goss er über die Jesusstatue

Weitere Kostenlose Bücher