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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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besorgte Miene, ein Zeichen dafür, dass die Jäger ein großes Risiko eingingen und vielleicht sogar das ganze Dorf in Gefahr brachten. Ähnlich besorgt wirkte Hört-den-Donner, der seine Gebete verstärkte, als er vom Aufbruch der Jäger hörte, und sogar nachts aus seiner Hütte kroch und bei eisiger Kälte zu den Geistern betete. Eine seltsame Anspannung lag über dem Dorf, als würde das Überleben seiner Bewohner nur von den beiden jungen Jägern abhängen, und Clarissa ertappte sich ebenfalls dabei, wie sie morgens aus der Hütte kroch und nach ihnen Ausschau hielt.
    Drei Tage später kehrten sie mit einem Schlitten voller Fleisch zurück und wurden von den meisten Bewohnern begeistert empfangen. Nur der Häuptling und der Medizinmann und einige der älteren Männer blickten besorgt auf die Fleischberge. Als Clarissa sich einen Weg zu dem Schlitten bahnte und das Fleisch begutachtete, erkannte sie auch, warum. »Das ist Rindfleisch«, sagte sie. »Ihr habt ein Rind gestohlen und es geschlachtet. Dafür können euch die Besitzer vor Gericht bringen, oder es passiert noch Schlimmeres.« Sie blickte hilfesuchend auf den Medizinmann. »Ich weiß nicht, ob mein Geld für ein ganzes Rind reicht, aber vielleicht genügt es, um den Besitzer zu beruhigen.« Sie wandte sich an die jungen Männer. »Woher habt ihr das Rind?«
    »Von der Winterweide eines Ranchers«, antwortete einer von ihnen. »Wir wissen nicht, wie er heißt, aber er merkt bestimmt nicht, dass wir das Rind weggetrieben haben. Wir haben das Fell mit dem Brandzeichen verbrannt.«
    »Die Geister wollten, dass wir das Fleisch bekommen«, sagte Hört-den-Donner. »Der Rancher wird den Verlust verschmerzen. Er besitzt viele Rinder. In unserem Dorf rettet dieses Fleisch vielleicht Leben. Ist das Unrecht?«
    »Es ist gegen das Gesetz.«
    »Dann ist das Gesetz schlecht«, mischte sich der Häuptling ein. »Als uns der weiße Mann ins Reservat schickte, versprach er uns, Lebensmittel und Kleidung zu schicken, wenn es uns schlecht ginge. Ein paar Mal hat er dieses Versprechen gehalten, aber inzwischen kommt kaum noch etwas bei uns an, und wir müssen hilflos mit ansehen, wie die Weißen unser Wild abschießen.«
    Auch davon hatte Clarissa schon gehört. In einer Zeitung, die sie in Vancouver in die Hände bekommen hatte, war sogar ein weißer Politiker für die Indianer eingetreten, aber später nicht gewählt worden. »Ich weiß, dass man euch Unrecht angetan hat, aber den Rancher, den ihr bestohlen habt, wird das wohl kaum interessieren. Ich werde zu ihm fahren und mit ihm sprechen.«
    Als wären ihre Worte bis weit in die Wälder gedrungen, tauchten plötzlich drei Männer auf Pferden am Waldrand auf, ein Packpferd und ein Ersatzpferd an den Zügeln, und ritten ins Dorf hinab. Der Wind hatte nachgelassen, und nur der Schnee, den die Pferde aufwirbelten, begleitete sie auf ihrem Weg zum Versammlungshaus. Alle drei Männer hielten Gewehre in den Händen.
    Ihr Anführer, ein ungefähr fünfzigjähriger Mann mit einem von Wind und Wetter gegerbten Gesicht, zügelte seinen Wallach. Er trug eine gefütterte Holzfällerjacke, dicke Fellhosen und hatte seinen breitkrempigen Stetson mit dem Schal auf dem Kopf festgebunden. »Ich bin Jimmy Flagler«, sagte er, »das sind meine Cowboys. Ted und Rocky. Mir gehört die Yellow Rose Ranch östlich von Williams Lake.« Seine Stimme klang bedächtig, nicht wie bei einem Mann, der gerade zwei Viehdiebe ausfindig gemacht hatte. Er deutete mit dem Gewehrlauf auf den Schlitten. »Das Fleisch stammt von einem meiner Rinder.« Er wandte sich an seine Männer. »Zeig ihnen die Haut, Ted!«
    Der Cowboy, wie sein Kollege ein junger Mann um die Zwanzig und ähnlich gekleidet wie ihr Boss, zog die Überreste einer verbrannten Rinderhaut aus seinen Satteltaschen und warf sie in den Schnee. Anscheinend waren die Jäger zu nachlässig vorgegangen. Man erkannte noch das Brandzeichen.
    »Bei der verbrannten Haut haben wir die Spuren dieser beiden Krieger gefunden.« Er deutete auf die jungen Indianer. »Wir sind ihnen bis hierher gefolgt. Ich mag es nicht, wenn man sich ungefragt an meinen Rindern vergreift.« Er legte eine kurze Pause ein. »Gebt ihr zu, es gestohlen zu haben?«
    Bevor einer der Indianer eine Dummheit begehen oder etwas Falsches sagen konnte, trat Clarissa entschlossen nach vorn. »Ja, sie geben zu, das Rind gestohlen zu haben, und ich wollte gerade aufbrechen, um Sie dafür zu bezahlen. Also stecken Sie gefälligst Ihre

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