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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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langen Mäntel ab. Der würzige Kaffeeduft ließ sie zufrieden grinsen. »Ich dachte, das tun nur Männer.«
    »Und Frauen, wenn nichts anderes da ist.«
    »Na, dann weiß ich ja, wer die Hefte jetzt nach mir bekommt.«
    Clarissa hatte den großen Esstisch vom schmutzigen Geschirr und den Papieren befreit und mit einem nassen Lappen abgeputzt. Sie schloss die Augen, als sich der Rancher, die Cowboys und sie an den Händen fassten und Flagler ein kurzes Gebet sprach: »Herr, wir danken dir dafür, dass wir einigen hungrigen Indianern helfen durften und dass uns eine Frau, die du uns wohl mit voller Absicht geschickt hast, von nun an den Haushalt führen wird. Wir danken dir für die Speisen und den guten Kaffee und … auch das muss gesagt werden … Wir hoffen, du liest diesem Bankmenschen die Leviten und sagst ihm, dass er sein Geld im Frühjahr bekommt und keinen Tag früher. Amen.«
    »Amen«, wiederholten sie gemeinsam.
    Im Stillen betete Clarissa weiter, in der Hoffnung, ihr Kaffee möge so gut schmecken, dass man sie nicht gleich wieder zum Teufel jagte, und wartete gespannt, bis Flagler den ersten Schluck getrunken hatte. Als seine Augen zu leuchten begannen und er sagte: »So muss ein Kaffee schmecken!«, atmete sie erleichtert auf und nahm sich vor, in Zukunft immer einen Löffel mehr in die Kanne zu geben. Stark musste Kaffee sein, das hatte sie inzwischen kapiert.
    »Tim … Rusty … ihr kümmert euch morgen früh um die Indianer. Gebt ihnen zwei der jungen Kühe und packt ein paar Vorräte für sie zusammen. Kaffee, Zucker, Mehl … was man halt so braucht. Auch Tabak, wenn ihr welchen erübrigen könnt. Keine Ahnung, warum ich so freundlich zu den Indianern bin, aber vielleicht komme ich dann in den Himmel und muss nicht in der Hölle schmoren wie meisten anderen Rancher dieser Gegend. Vielleicht hab ich auch ein schlechtes Gewissen, weil wir ihnen das Land gestohlen haben.«
    »Sie tun das Richtige, Jimmy«, sagte Clarissa.
    »Wird gemacht, Jimmy«, erwiderte Ted.
    »Ich fahre mit Clara nach Williams Lake. Wir brauchen neue Vorräte, sie muss sich was zum Anziehen kaufen, und ich muss bei der Bank zu Kreuze kriechen. Wie ich diesen Mister Higgins kenne, wird er mir ordentlich zusetzen. Wir nehmen den Schlitten, vom Reiten hat Clara sicher erst mal genug.«
    »Und wann räume ich auf?«, wollte sie wissen.
    »Das hat Zeit, die Bank nicht. Sie hatten noch nie mit Higgins zu tun.«
    Nach dem Essen begleitete Flagler sie in ihre Unterkunft, ein winziges Blockhaus, in das gerade mal ein Bett, eine Kommode, ein Tisch mit einer Waschschüssel und ein Ofen passten. Das frische Bettzeug und ein sauberes Nachthemd legte er auf die Matratze. Er hustete verlegen und sagte: »Das gehörte Sam. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, ein Männernachthemd zu tragen.« Er zündete ein Feuer im Ofen an und warf zwei Scheite nach, als die Flammen nach oben züngelten. Er deutete auf die Holzscheite auf dem Boden. »Das dürfte erst mal reichen. Bis morgen.« Er grinste verschmitzt. »Mit dem ersten Hahnenschrei. Wir Rinderleute kriechen früh aus den Federn.«
    Clarissa bedankte sich, bezog das etwas zu harte Bett und füllte die Waschschüssel mit sauberem Schnee, um am nächsten Morgen frisches Wasser zu haben. Bevor sie unter ihre Decken kroch, warf sie noch einen Holzscheit in die Flammen. Die Wärme tat gut nach dem langen Ritt, obwohl es in dem Blockhaus lange nicht so gemütlich wie in der Indianerhütte war.
    Sie zog ihre Überdecke bis zum Hals und blickte erschöpft zum Hüttendach empor. Die Balken warfen lange Schatten im Mondlicht. In dem ovalen Spiegel über dem Waschtisch spiegelte sich der Schnee. Das einzige Fenster war erstaunlich sauber und wurde sogar von Vorhängen eingerahmt, eine Seltenheit in einer Cowboyhütte. Sam war tatsächlich ein sehr ordentlicher Mensch gewesen. Aus dem Ofen drang das Knacken des brennenden Holzes.
    Seltsam, dachte sie, mein ganzes Leben habe ich in Vancouver verbracht, nur um von einem gemeinen Betrüger und Lügner wie Frank Whittler in die Wildnis gejagt und zu einer rastlosen Wanderin zu werden, immer auf der Flucht und nirgendwo vollkommen sicher. Zu Fuß bis zu Alex’ Hütte, mit dem Hundeschlitten nach Beaver Creek und ins Winterlager der Indianer, zu Pferde auf eine einsame Ranch in den Ausläufern der Chilcotin Mountains. Ich bin heimatlos, wie ein Schiff ohne Anker, das hilflos im stürmischen Meer treibt und jederzeit von einer mächtigen Welle überspült werden

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