Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
kann.
    Schon morgen würde sie wieder ein Risiko eingehen. In Williams Lake war die Gefahr, von einem Polizisten aufgehalten oder einem geldgierigen Bürger angesprochen und verraten zu werden, wesentlich größer als hier draußen, und doch hatte sie sich nicht geweigert, den Rancher zu begleiten. Obwohl sie ihm vertraute, hatte sie ihm verheimlicht, warum sie mit dem Hundeschlitten durch die Wildnis gefahren und in einem Indianerdorf untergekommen war. Sie wollte ihn nicht unnötig belasten. Er hatte schon genug Sorgen und war nicht besser dran als die meisten Fischer in Vancouver, die ebenfalls von der Hand in den Mund lebten und auf die großzügigen Kredite einer Bank angewiesen waren – mit entsprechenden Zinsen.
    Sie blickte aus dem Fenster, sah die verschneiten Hänge und den zugefrorenen Bach im Mondlicht glänzen und wünschte sich, Alex auf seinem Schlitten über die Hügel kommen zu sehen. Ein Wunschtraum, der irgendwann einmal in Erfüllung gehen musste, wenn ihr Leben einen Sinn haben sollte. Sie wollte nicht wie Jimmy Flagler enden, der immer noch seiner Carmen nachweinte und die einzige Befriedigung in der Arbeit mit seinen Rindern fand. Wo mochte sie wohl sein? Immer noch bei den Comanchen? Als fünfzigjährige Squaw in einem Indianerzelt? Oder längst wieder bei einem anderen Mann? Einem reichen Mexikaner in Mexico City? Einem Amerikaner in New York? Vielleicht sogar in Europa. Verführerische Frauen wie Carmen fanden immer einen wohlhabenden Mann, der ihr Leben finanzierte.
    Oder saß sie allein in einer armseligen Hütte und trauerte ihrem Jimmy nach? Sah sie auf ihre alten Tage ein, dass sie damals einen Fehler begangen hatte? Wenn sie nur wüsste, dass sich Jimmy immer noch nach ihr verzehrte.
    Sie würde es nicht so weit kommen lassen. Sie würde irgendwann mit Alex zusammen sein, wie Hört-den-Donner es angedeutet hatte, und wenn sie ganz Kanada nach ihm absuchen müsste. Frank Whittler würde sie nicht ewig verfolgen, das hoffte sie jedenfalls, und irgendwann könnte sie sich wieder ungehindert bewegen, ohne von der Polizei aufgehalten zu werden. Noch war es nicht so weit, aber der Tag würde kommen. Niemand konnte ihre Liebe zerstören, und schon gar nicht dieser ekelhafte Frank Whittler!
    Wenn sie doch nur wüsste, wo er sich gerade aufhielt! Die Vorstellung, das Whittler tatsächlich vorhaben könnte, ihn vor Gericht zu bringen, machte ihr schwer zu schaffen. Auch wenn er hoch und heilig schwor, nicht gewusst zu haben, dass sie vom Gesetz gesucht wurde, würde ihm das vielleicht nichts nützen, und der Richter würde ein vernichtendes Urteil sprechen. Hatten sie ihn tatsächlich eingesperrt? Wäre er nicht längst bei ihr aufgetaucht, wenn er noch in Freiheit wäre? Oder fand er Trost bei einem Mädchen wie Ruby?
    Mit dem beunruhigenden Gedanken, dass er sie schon vergessen haben könnte, schlief sie ein. Sie fiel in einen traumlosen Schlaf, der sie die Strapazen des langen Ritts vergessen ließ, wachte jedoch wenig später wieder auf, als sie das lang gezogene Heulen eines Wolfes aus dem Schlaf riss.
    Sie fuhr erschrocken hoch und blickte aus dem Fenster. Jenseits des Baches war eine Bewegung im Halbdunkel zu sehen, zu weit entfernt, um Genaueres erkennen zu können, aber sie wusste auch so, von wem das Heulen kam. »Bones!«, flüsterte sie. »Was tust du hier? Bin ich wieder in Gefahr?«
    Sie presste ihr Gesicht gegen die eiskalte Scheibe und versuchte den Wolf gegen die dunklen Schatten des Waldes auszumachen. Außer einer flüchtigen Bewegung konnte sie nichts erkennen. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, seine gelben Augen zu erkennen, konnte aber auch einer Sinnestäuschung aufgesessen sein, so schnell, wie das Leuchten wieder verschwand.
    Das Knarren einer Tür drang an ihre Ohren. Ihre Augen wanderten nach rechts und nahmen den Schatten eines Mannes vor der Scheune wahr. Ted, einer der beiden Cowboys. Er war nur mit seinem Mantel und Stiefeln bekleidet, trug einen Stetson und hielt ein Gewehr in den Händen. Anscheinend war auch er durch das Wolfsgeheul geweckt worden. Die Waffe zeigte ihr, was er davon hielt. Rinderleute mochten keine Wölfe, hatten Angst, dass sie zu einer ernsthaften Gefahr wurden und ihre jungen und wertvollen Kälber rissen.
    »Nein!«, flüsterte sie. »Sie dürfen ihn nicht erschießen!«
    Sie zog sich in Windeseile an und trat ins Freie, schreckte vor dem eisigen Nachtwind zurück, ohne sich von ihm aufhalten zu lassen, und erkannte besorgt,

Weitere Kostenlose Bücher