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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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»Hooh!«, rief sie. »Hooh! Beruhige dich, Pinto! Ist doch nur ein Gewitter.«
    Kaum hatte sie ihn fest an den Zügeln, kurvten erneut Blitze über den abendlichen Himmel und überzogen das Land mit einem seltsamen Flimmern, als hätten sie das Gras entzündet. Im selben Atemzug krachte wieder der Donner, und prasselnder Regen rauschte vom Himmel herab. Selbst unter den Bäumen waren die schweren Tropfen zu spüren, der Regen tobte durch die Baumkronen, riss ganze Zweige ab und trommelte heftig auf den Waldboden.
    Clarissa umklammerte die Zügel ihres Schecken fest mit der rechten Hand, drückte so fest zu, dass sich die Nägel in ihre Haut gruben und sie anfing zu bluten. Während sie weiter auf Pinto einredete, ihn mit sinnlosen Worten beruhigte und nur auf ihren Tonfall achtete, zog sie sich weiter in den Wald zurück, ohne dem Unwetter entgehen zu können und einen geeigneten Schutz für sich und den Schecken zu finden. Das Gewitter war allgegenwärtig, das grelle Flackern der Blitze war selbst durch dichte Baumkronen zu sehen, die Erschütterung durch den Donner körperlich zu spüren. Immer weiter drängte sie in den Wald hinein, in der steten Furcht, ein Blitz könnte eine der mächtigen Fichten fällen, bis sie nach einer minutenlangen Suche, die ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen war, eine überhängende Felswand fand und sich mit ihrem Schecken unterstellte. »Hier sind wir sicher, Pinto! Hab keine Angst!«
    Dicht an die Felswand gedrängt, wartete Clarissa das Unwetter ab. Der Regen rauschte sintflutartig vor ihrem Unterstand herab, wirbelte das Geröll vor den Felsen auf und fetzte Zweige aus den Baumkronen. Grelle Blitze malten bizarre Muster an den Himmel und elektrisierten die schwankenden Fichten. Bei jedem Donnerschlag scheute der Schecke und zwang sie, die Zügel mit beiden Händen zu packen, um ihn am Durchgehen zu hindern. Einmal schlug der Blitz in unmittelbarer Nähe ein, und mit einem gewaltigen Krachen löste sich Gestein aus der Felswand und polterte zu Boden. Pinto geriet in Panik und galoppierte in den Regen. Clarissa hielt die Zügel fest und wurde mitgeschleift, scharrte mit den Stiefeln über das Geröll und rief verzweifelt »Whoaa, Pinto! Whoaa! Bleib stehen!«, bis der Schecke endlich anhielt und sich scheuend und zitternd von ihr unter die Felsen ziehen ließ.
    Sie nahm den Stetson ab, schlug das Wasser von der Krempe und setzte ihn wieder auf. Auch unter der überhängenden Felswand war sie nicht vollkommen geschützt. Der böige Wind trieb den Regen in ihren Unterschlupf, zerrte an ihrem Mantel, und selbst ihr breitkrempiger Hut und ihr hochgestellter Kragen konnten nicht verhindern, dass ihr das kalte Wasser über den Rücken lief. Sie fluchte leise und versetzte sich in Gedanken ins Wohnzimmer des Ranchhauses, bei einem Becher heißen Kaffee und frischen Biskuits. Sie hoffte nur, dass Flagler und die Cowboys die Rinder schon abgeliefert hatten und sich vielleicht sogar in ein beheiztes Roadhouse geflüchtet hatten.
    Nur ganz allmählich ließ das Unwetter nach. Die Blitze wurden seltener, der Donner leiser, und die dunklen Wolken zogen nach Osten weiter. Aus dem sintflutartigen Rauschen wurde ein normaler Regen, nur noch vom dumpfen Echo weit entfernter Donnerschläge begleitet. »Das hätten wir hinter uns, Pinto!«, tröstete sie ihren Schecken. Pinto zeigte ihr mit einem zufriedenen Schnauben, wie sehr er sich darüber freute. »Ist wohl besser, wir reiten Jimmy und den Cowboys ein Stück entgegen. Trockenes Holz für ein Lagerfeuer finden wir sowieso nicht mehr. Was ist? Immer noch nervös?« Sie strich über seine nasse Mähne. »Keine Angst, Pinto, wir haben es überstanden.«
    Sie schlug das Wasser von ihrem Hut, drückte ihn fest auf ihre nassen Haare und stieg in den Sattel. Besonders wohl fühlte sie sich nicht, beinahe wie an Bord ihres Kutters, wenn sie nach einem heftigen Sturm ihre Wunden geleckt und vollkommen durchnässt ihre Arbeit verrichtet hatten. Was hätte sie jetzt für ein heißes Bad gegeben! Aber immer noch besser, als vom Schlitten zu fallen und schwer verletzt und hilflos im Schnee zu liegen. Sie trieb ihren Schecken an und lenkte ihn durch den Wald zurück, ließ ihn über abgerissene Äste und Zweige steigen und war froh, als sie den Trail erreichte, über den Flagler und die Cowboys kommen mussten. Der Wind war hier etwas böiger als im Wald, und der Regen wehte ihr ins Gesicht, machte ihr aber nach dem schweren Unwetter kaum etwas aus. »Vorwärts,

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