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Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis

Titel: Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Hauptstraße von Fosters Bar fuhren sie auf die breite Wagenstraße zurück.
    Die Rückfahrt verlief ohne Zwischenfälle. Der Rancher schlief die meiste Zeit und stöhnte nicht einmal, wenn die Räder über einen Stein oder eine Bodenwelle holperten. Ob er tatsächlich widerstandsfähiger war, als alle angenommen hatten, oder seine unerschütterliche Ruhe nur dem Laudanum geschuldet war, wusste sie nicht. Während Ted und vor allem Rocky aber davon überzeugt waren, dass ihr Boss ein harter Texaner war und das Schlimmste schon überstanden hatte, blieb sie weiter misstrauisch und fürchtete sich vor einem Rückfall. »Nicht so schnell!«, warnte sie Rocky immer wieder.
    Unterwegs begegneten sie nur wenigen Reisenden. Einige hielten an, als sie den Verletzten auf dem Wagen sahen, und boten ihre Hilfe an, andere beließen es bei einem neugierigen Blick und fuhren wortlos an ihnen vorbei. Für Clarissa interessierte sich kaum jemand, lediglich zwei Cowboys von einer anderen Ranch, die ihre Pferde zügelten und einige Worte mit Ted und Rocky wechselten, sahen zu ihr hinüber und tippten an die Krempen ihrer Stetsons.
    Sie erreichten Williams Lake am frühen Nachmittag. Doc White, der einzige Arzt der Stadt, ein eher schmächtiger Mann, der aus unerfindlichen Gründen aus Chicago in den Hohen Norden gekommen war, öffnete aufgeregt die Tür, als sie mit dem Wagen vor seinem Haus hielten, und half den Cowboys, den verletzten Rancher ins Krankenzimmer zu tragen. Die Wirkung des Laudanums hatte nachgelassen, und Flagler stöhnte schon wieder, als sie ihn auf eines der Betten legten. Erst ohne die Schmerzmittel merkte man, wie schwer seine Verletzungen wirklich waren. Ted berichtete dem Doktor in wenigen Worten, was passiert war. Clarissa reichte ihm das Laudanum.
    Doc White bat seine Besucher, im Wohnzimmer zu warten, solange er den Rancher untersuchte, und ließ sich bedenklich viel Zeit. Weder die Cowboys noch sie schenkten sich von dem Kaffee ein, den die Frau des Doktors auf den Tisch stellte, sie waren viel zu nervös und blickten immer wieder ängstlich auf die Tür zum Krankenzimmer. »Wir hätten ihn nicht mitnehmen dürfen«, sagte Ted einmal, und Clarissa murmelte: »Warum braucht er so lange? Jimmy ging es doch schon viel besser, als wir herkamen.« Rocky lief nervös auf und ab und schimpfte leise: »Verdammter Blitz! Verdammtes Gewitter!«
    Als der Doktor endlich erschien, war seine Miene ernst. »Ich will Ihnen nichts vormachen«, eröffnete er ihnen. »Es sieht nicht gut aus. Die Wunde im rechten Oberschenkel verheilt gut, aber die Bruchstelle im anderen Bein hat sich entzündet, und ich muss wahrscheinlich amputieren. Das Schlimme ist: Er weigert sich. Obwohl ich ihm gesagt habe, welche Folgen das haben könnte, will er sein Bein behalten … Koste es, was es wolle.« Er seufzte. »Vielleicht können Sie noch mal mit ihm reden, auf mich hört er leider nicht. Sagen Sie ihm, dass er wahrscheinlich sterben wird, wenn ich das Bein nicht abnehme.«
    Clarissa erklärte sich bereit und betrat das Krankenzimmer. Schon als sie sich auf den Bettrand setzte und nach der Hand des Ranchers griff, erkannte sie, wie sinnlos ihr Bemühen war. »Ich weiß, was du willst«, empfing sie der Rancher aufsässig. Doc White hatte ihm einen weiteren Löffel Laudanum gegeben. »Du sollst mir um den Bart gehen und mich überreden, mir das Bein abnehmen zu lassen. Kommt nicht infrage! Lieber lande ich mit zwei Beinen in der Hölle als mit einem Holzbein auf der Weide. Ich hab keine Lust wie ein verdammter Pirat herumzuhumpeln und mich zum Gespött der Leute zu machen. Das Bein bleibt dran, und wenn ihr euch auf den Kopf stellt, basta!«
    »Niemand lacht dich aus, Jimmy. Und du bist nicht der Einzige, der mit einem Holzbein durch die Gegend läuft. Ich kannte einen Fischer in Vancouver, der hatte ebenfalls ein Holzbein und zog die fettesten Lachse an Land.«
    Flagler schüttelte den Kopf. »Ich weiß, du meinst es gut mit mir und wartest nur darauf, mich bemuttern zu können, aber ich habe keine Lust, als Krüppel durch die Gegend zu reiten. Weißt du, was ein Comanche tat, wenn er ein Bein oder einen Arm verlor? Er ritt mit lautem Kriegsgeheul in eine Schlacht und wartete nur darauf, dass man ihn in die Ewigen Jagdgründe schickte. Wir Texaner sind ähnlich. Wir brauchen zwei Beine zum Leben.«
    Clarissa erkannte, dass sich Flagler nicht umstimmen lassen würde, und ahnte auch, dass es noch einen anderen Grund als texanischen Stolz

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