Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
Hundefutter. »Vor dem Indianer brauchen wir keine Angst zu haben, der gehörte zwar mal zu den besten Spurenlesern der Gegend, hat sich seinen Verstand aber längst weggesoffen. Aber vor den meisten anderen Männern müssen wir uns in acht nehmen. Zweitausend Dollar sind eine Menge Geld.«
Sie griff nach den restlichen Vorräten und der Feldflasche und blickte sich noch einmal in der Hütte um. Viel war im Halbdunkel nicht zu sehen. »Und in Beaver Creek bin ich sicher? Was ist, wenn Joe dort nach mir sucht?«
»Auf die Idee wird er nicht kommen. Beaver Creek ist so ziemlich der letzte Ort, wo man eine junge Frau verstecken würde. Und wenn sie mich auf der Rückfahrt erwischen und ich Ihnen weismachen kann, dass ich bei meinen Eltern in Williams Lake war, denken sie sicher, dass du zur Grenze willst. Beaver Creek ist ein gottverlassenes Nest, und selbst wenn die Männer dort von der Belohnung erfahren würden, wärst du wahrscheinlich sicher. Die meisten haben selbst genug Dreck am Stecken. Hab keine Angst, Clarissa.«
Sie verließen die Hütte und gingen zu den Hunden, die ihnen schon erwartungsvoll entgegenblickten. Sie hatten es wohl Billys wachem Instinkt zu verdanken, dass keiner der Huskys jaulte oder heulte oder unnötigen Lärm verursachte. Selbst der lebhafte Smoky riss sich zusammen und tänzelte lediglich aufgeregt im Kreis. »So ist es recht!«, lobte Alex sie, »wir müssen jetzt ganz leise sein, sonst kommen uns Crazy Joe und dieser Indianer in die Quere, und wir geraten in große Schwierigkeiten. Sie dürfen Clarissa auf keinen Fall erwischen, habt ihr gehört?«
Die Huskys verstanden ihn und ließen sich ohne das übliche Geheul und Gezanke an die Hauptleine binden. Alex sprach ständig mit ihnen, lobte sie mit gedämpfter Stimme und versetzte jedem einen aufmunternden Klaps. Inzwischen verstaute Clarissa den Proviant in dem Vorratsbeutel unter der Haltestange. Sie war bereits fertig und breitete schon die Decken auf der Ladefläche aus, als Alex sie zurückhielt und sagte: »Warte noch! Ich nehme die Felle mit. Vielleicht fahre ich tatsächlich weiter nach Williams Lake und besuche meine Eltern. Sie brauchen das Geld bestimmt dringender als ich.«
Er verschwand in der Hütte und kehrte mit einem Stapel Felle zurück, vor allem Biber, aber auch Füchse, zwei Vielfraße und ein Hermelin. »Außerdem sind die Felle eine gute Tarnung, falls sie uns unterwegs anhalten und du dich unter den Decken verstecken musst. Mit den Fellen kann ich sie ablenken. Solange wir abseits der Straßen bleiben, kann uns nichts passieren, aber sobald wir den Fraser erreichen, müssen wir ungefähr zehn Meilen über die Wagenstraße fahren. Dort liegt zu viel Tiefschnee, und wir bräuchten Wochen, um mit den Schneeschuhen durchzukommen. Der Fraser River friert erst im nächsten Monat zu. Weiter nördlich sieht es besser aus.« Er band die Felle so auf dem Schlitten fest, dass sie sich dagegenlehnen konnte, und packte sie in die Decken, nachdem sie sich hingesetzt hatte. »Verlass dich auf mich, Clarissa!«
Sie nickte zuversichtlich, obwohl ihr eher mulmig zumute war, und klammerte sich mit beiden Händen an den Schlitten, als Alex leise »Giddy-up! Jetzt gilt es, Billy!«, rief und den Schlitten auf den Trail steuerte, den sie am vergangenen Morgen mit ihren Schneeschuhen getreten hatten.
Die Hunde wussten, was von ihnen verlangt wurde, und legten sich entschlossen in die Geschirre. Im schwachen Licht des Mondes, der am wolkenverhangenen Himmel stand und blasses Licht auf den Schnee warf, jagten sie über den zugefrorenen Bach und in die Hügel jenseits des Ufers hinauf. Die Arbeit schien sie kaum anzustrengen. Scheinbar leichtfüßig erklommen sie die teilweise starke Steigung, unbeeindruckt von dem immer wieder böig auffrischenden Wind, der von den Bergen im Norden herunterwehte. Ihre Bewegungen waren rhythmisch und beinahe anmutig, und wäre ihre Lage nicht so bedrohlich gewesen, hätte Clarissa sicher staunend auf dem Schlitten gesessen und den eleganten Laufstil der Huskys bewundert. So wirkte sie eher verkrampft und ängstlich bei dem Gedanken, Crazy Joe und der Indianer könnten bereits dicht hinter ihnen sein, um sie nach Ashcroft und zu dem wartenden Frank Whittler zurückzubringen. Oh, wie ihr dieser Mann zuwider war! Ein selbsternannter Gentleman, der es zu nichts gebracht hatte und vom Reichtum seines Vaters zehrte, seine Verlobte schon vor der Hochzeit hinterging und bereit war, eine Unschuldige für
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