Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
habe?«
»Weil du mir noch keine runtergehauen hast.«
Sie grinste. »Das kann ich gerne nachholen.«
»Dann tu’s doch endlich!«
Sie holte aus und verabreichte ihm eine schallende Ohrfeige, die ihn beinahe von der Pritsche warf. Er blickte sie verwundert an und griff sich erschrocken an seine Wange, auf der sich bereits ihre Finger abzeichneten. Als er ihre entsetzte Miene bemerkte, lächelte er. »Und jetzt küss mich endlich!«
»Verdient hast du’s nicht!«
»Ich mach’s wieder gut, Lady. Versprochen.«
»Ehrenwort?«
»Ehrenwort!«
Dann küssten sie sich so zärtlich und innig, dass sie alles um sich herum vergaßen und nicht einmal bemerkten, wie die Tür aufsprang und C. W. in den Zellengang trat. »Schluss mit dem Geturtel!«, rief der Polizist streng.
»Holst du mich morgen früh ab?«, fragte Alex.
»Mal sehen«, antwortete sie in gewohnter Manier. Sie wandte sich lächelnd an den Polizisten. »Wann dürfen die Gefangenen morgen früh gehen?«
»Um zehn Uhr.«
»Dann bin ich um kurz vor zehn hier … Wenn mir keine Klagen kommen.«
Sie verließ das Gefängnis und trat fröhlich in den verschneiten Morgen hinaus. Ihre Tränen waren getrocknet, und sie war wieder guter Dinge.
22
Ben Cook stand in einen Büffelfellmantel gehüllt vor dem Blockhaus seiner Firma, eine qualmende Zigarre im Mund, und griff sich freundlich lächelnd an die Hutkrempe, als Clarissa ihm entgegenkam. »Guten Morgen, Miss Holland«, begrüßte er sie. »Freut mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich bin Ben Cook, der Besitzer der Cascade Lumber Company.«
»Cla-Clara Holland«, erinnerte sie sich gerade noch rechtzeitig an ihren falschen Namen. »Ich helfe der Witwe Barnes im Lumberjack Café.«
Cook trug die leutselige Miene eines privilegierten Mannes zur Schau, der es gewohnt war, mit Untergebenen zu sprechen. »Ich hab schon gehört. Das wird ihren Umsatz sicher kräftig steigern. So eine hübsche Frau wie Sie war schon lange nicht mehr in der Stadt.« Er nahm lächelnd die Zigarre aus dem Mund. »Darf ich fragen, was Sie ausgerechnet nach Beaver Creek getrieben hat?«
»Ein aufdringlicher Verehrer«, blieb sie bei der Geschichte, die Alex sich für sie ausgedacht hatte. »Ich hoffe, hier habe ich einigermaßen Ruhe vor ihm. Sie glauben ja nicht, wie lästig so ein Verehrer werden kann.« Sie erwiderte sein Lächeln. »Außerdem erscheint mir Beaver Creek gar nicht so übel.«
»Da haben Sie recht, Miss. Am Freitagabend, wenn ich den Männern ihren Lohn auszahle, lassen sie gern etwas Dampf ab, aber das ist normal.«
Sie nahm an, dass er von ihrem nächtlichen Auftritt wusste, und erklärte: »Nun, gestern habe ich wohl auch ein wenig dazu beigetragen. Ich hoffe, Sie und die anderen Bürger haben keinen falschen Eindruck von mir gewonnen.«
»Wie kommen Sie denn darauf? Eine Frau, die ihrem Mann ordentlich die Leviten liest, wenn er über die Stränge schlägt, ist uns immer willkommen. Ich wollte, manche meiner Männer hätten auch ihre Frauen dabei.« Er paffte an seiner Zigarre und blies den Rauch in die Luft. »Ich nehme an, dieser Carmack ist nicht der aufdringliche Liebhaber, vor dem Sie weggelaufen sind?«
»Sie sind sehr neugierig, Mister Cook.«
Er wurde nicht verlegen. »Das muss ich auch sein, Miss Holland. Immerhin wird man mich zum Bürgermeister dieser Stadt wählen, wenn sie erst einmal groß genug ist, da gehört es zu meinen Pflichten, genau über meine Bürger Bescheid zu wissen … So wie ich meine Angestellten auch genau kenne.«
»Sie meinen, aus Beaver Creek wird eine richtige … Stadt?«
»Bei diesen Holzvorräten?« Er zeigte mit einer umfassenden Bewegung auf die waldbedeckten Hänge vor der Stadt. »Ich glaube sogar, dass Beaver Creek einmal größer und wirtschaftlich bedeutender als Williams Lake sein wird. Natürlich kann ich mit meiner Cascade Lumber Company nicht alles allein stemmen. Wir brauchen noch einen finanzkräftigen Investor, der an diese Stadt glaubt und in eine passable Infrastruktur investiert, und ich will Ihnen etwas verraten: Ich glaube sogar, wir haben diesen Investor schon gefunden.«
»Sie verraten mir doch keine Betriebsgeheimnisse?«
Der Unternehmer lachte. »Nein, ganz im Gegenteil. Ich will Sie ermutigen, in dieser Stadt zu bleiben, vielleicht sogar an befreundete Familien zu schreiben und sie ebenfalls zu bitten, nach Beaver Creek zu kommen. Je mehr respektable Bürger sich bei uns ansiedeln, desto größere Chancen haben wir, dass
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