Christopher Ross, Clarissa – Im Herzen die Wildnis
wahrscheinlich schon mehr Geld auf der Bank liegen hat, als er in einem Leben ausgeben kann. Er will den großen Macker spielen, sich eine Stadt nach seinem Geschmack aufbauen und zum Bürgermeister wählen lassen. Mag sogar sein, dass er einen Investor findet, aber so mächtig wie die Whittlers wird Cook nie. Dafür hat er zu wenig Format.«
»Und wenn Frank Whittler wirklich kommt?«
»Wenn er kommt, was ich noch stark bezweifle, obwohl ich weiß, dass er dem Postreiter schon vor einigen Monaten mehrere Briefe mitgegeben und tatsächlich eine Antwort von der Canadian Pacific bekommen hat … Wenn er tatsächlich kommt, tut er sich die Reise bestimmt nicht im Winter an. Selbst wenn er die Wagenstraße nimmt, muss er noch zum Fraser River, und die Schneise, über die sie im Frühjahr die Baumstämme zum Fluss karren, ist im Winter auch kein Vergnügen. Ohne Hundeschlitten schafft er es nie bis hierher, und ob sich ein Whittler das antut, wage ich doch stark zu bezweifeln.«
»Frank Whittler traue ich alles zu.«
Die Witwe Barnes schenkte ihr heißen Tee ein, wie immer, wenn sie jemand beruhigen wollte. »Machen Sie sich nicht verrückt, Schätzchen! Wen zieht es schon nach Beaver Creek? Holzfäller und Fallensteller und verkorkste Typen wie mich … Alle anderen gehen nach Vancouver oder Calgary oder wenigstens nach Williams Lake. Sie bleiben auch nicht lange, das hoffe ich jedenfalls für Sie, obwohl meine Geschäfte noch nie so gut liefen wie jetzt, seitdem Sie Ihr hübsches Gesicht im Gastraum zeigen. Keine Bange!«
Um Frank Whittler wenigstens zeitweise aus ihren Gedanken zu bekommen, arbeitete Clarissa an diesem Tag besonders angestrengt. Sie bediente während der Mittagspause, räumte ab und spülte das Geschirr, half beim Zubereiten des Hühnereintopfs, den es zum Abendessen geben sollte, und kochte neuen Tee in der Hoffnung, er möge ihr genauso gut gelingen wie der Witwe. Nachmittags half sie ihr beim Backen eines leckeren Käsekuchens.
Und als ihr die Witwe bei Einbruch der Dämmerung sagte, sie solle sich ein wenig ausruhen, bevor die Abendgäste kamen, fütterte sie Alex’ Huskys, die hinter dem Haus neben ihrem Schlitten lagen, alle noch in ihren Geschirren, damit sie nicht mit den anderen Hunden der Stadt aneinandergerieten.
Die Hunde winselten erfreut, als sie das Futter brachte, vor allem Smoky, der es gar nicht erwarten konnte, ungeduldig an ihr hochsprang und nach dem Inhalt des Eimers schnappte. Billy wies ihn mit einem ärgerlichen Bellen in seine Schranken und stieß ihn mit der Schnauze auf seinen Platz zurück.
»Immer mit der Ruhe, Smoky!«, beruhigte sie ihn. »Ich habe für jeden von euch genug dabei. Leckeren Lachs mit Reis, das mögt ihr doch so gerne.«
Sie füllte die Fressnäpfe, die noch von der letzten Fütterung im Schnee standen, und liebkoste Billy, der sich ihr Streicheln gerne gefallen ließ. »Ich weiß, ihr würdet jetzt lieber mit Alex und mir durch den Schnee sausen, aber Alex hat sich gestern Abend ein wenig danebenbenommen und muss noch eine Nacht im Gefängnis schmoren. Morgen früh darf er raus. Ich hole ihn ab und komme natürlich gleich mit ihm hierher, das verspreche ich euch.« Billy unterbrach sein Fressen und blickte sie fragend an. »Nein, er hat nichts Schlimmes verbrochen … Er hat nur ein wenig über die Stränge geschlagen.«
Smoky machte sich wie immer gierig über seine Mahlzeit her und hatte selbst für sie kaum Augen, während er fraß. »Du bist wohl nie satt, Smoky? Ist ja auch ein leckeres Fressen, das habt ihr der Witwe Barnes zu verdanken, also seid schön freundlich zu ihr, wenn sie euch besuchen kommt, und fangt nicht mitten in der Nacht zu jaulen an. Hier gibt es sicher viele Wölfe, ich weiß, aber die müsst ihr nicht alle begrüßen. Versprecht ihr mir das, Smoky?«
Mit dem leeren Eimer blickte sie noch eine Weile auf die Hunde herab. Wirbelnde Schneeflocken ließen sie die Augen zusammenkneifen. »Tja, ihr Lieben«, sagte sie, »nun heißt es wohl bald Abschied nehmen. Morgen früh fährt Alex mit euch nach Hause.« Einige der Hunde schienen sie zu verstehen und jaulten leise. »Nein, ich kann nicht mit, leider … Ich bleibe den Winter über bei der Witwe Barnes. Ich hoffe aber, wir sehen uns im Frühjahr wieder.«
Wenn mich Frank Whittler nicht vorher vertreibt, dachte sie, als sie ins Haus zurückging. Smokys lang gezogenes Jaulen begleitete sie bis in die Küche. Die Witwe wartete bereits auf sie und schob ihr einen Korb mit
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