Chronik der dunklen Wälder - Blutsbruder (German Edition)
dafür. Ich bringe euch die Boshaftigkeit selbst: den Spion aus dem Weiten Wald, der uns vernichten wollte, indem er das große Feuer entfacht hat.«
Drei Mann schleppten ein Bündel in den Kreis, wo sie es dem Schamanen vor die Füße warfen.
Renn erkannte eine wütend zappelnde Gestalt in einem Netz. Sie musste sich beherrschen, um nicht laut aufzuschreien.
Die Gestalt stöhnte vor Schmerzen.
Es war Torak.
Kapitel 26
Das Netz wurde aufgezogen. Torak erhob sich mühsam. Seine Beine waren zusammengebunden, auch die Hände waren hinter dem Rücken gefesselt. Renn sah Blut in seinem Gesicht und aufgescheuerte Stellen auf seiner Brust. Und sie sah, dass er wankte.
Er hob den Kopf und blickte sie direkt an. Seine Augen weiteten sich.
Sie sprach stumm seinen Namen, aber er verzog das Gesicht. Halte dich da raus.
»Auf die Knie.« Eine Waldpferdfrau drückte ihm ihre Speerspitze in den Rücken und zwang ihn auf den Boden. Ihr misstrauisches Gesicht war über und über mit Stechpalmenblättern tätowiert und ihre grünen Lippen waren vor Zorn zusammengepresst. Renn vermutete, dass sie die Anführerin der Waldpferde war. Sie verbeugte sich tief vor ihrem Schamanen.
Thiazzi nahm die Huldigung schweigend entgegen, aber Renn sah es hinter den Augenschlitzen der Maske aufblitzen. Offenbar genoss er seinen Auftritt in vollen Zügen.
»Schamane«, sagte die Anführerin. »Das hier ist der Schändliche, der versucht hat, den Wahren Wald zu vernichten. Ich habe ihn schon einmal gesehen. Vor zwei Sommern hat er versucht, uns mit der Krankheit zu vergiften.«
»Ich habe nach einem Heilmittel gesucht«, erwiderte Torak. Er hörte sich entkräftet an.
»Wir hätten ihn damals schon aufhängen sollen«, fuhr sie fort. »Jetzt können wir den Fehler gutmachen.«
In wütender Zustimmung schlugen die Clans abermals die Speere gegen die Schilde.
Renn warf sich nach vorne, aber zwei behaarte Pranken hielten sie zurück. »Bleib ruhig«, zischte ihr der alte Auerochsenmann ins Ohr. »Du machst es nur schlimmer.«
Er ließ sie los, nahm seinem Anführer den Redestab aus der Hand und watschelte los. »Wenn wir ihn töten«, sagte er, »brechen wir die Clangesetze. Unser Schamane, der Auerochsenschamane, würde so etwas niemals gutheißen.«
»Wer einen Ungläubigen tötet, begeht eine gute Tat.« Thiazzis mächtige Stimme erfüllte die ganze Lichtung. »Und hier haben wir es mit keinem gewöhnlichen Ungläubigen zu tun. Seht doch, die Wunde auf seiner Brust, dort, wo er versucht hat, seine wahre Natur des Bösen zu verbergen! Seht die Tätowierung auf seiner Stirn! Das Zeichen des Ausgestoßenen!«
Das war endgültig zu viel für Renn. »Er ist kein Ausgestoßener mehr!«, schrie sie. »Fin-Kedinn hat ihn wieder aufgenommen und alle anderen Clans haben zugestimmt!«
»Der Große Wald hat niemals zugestimmt«, erwiderte die bemalte Maske. »Der Rabenanführer hat versucht, die Clangesetze zu ändern. Clangesetze können von niemandem geändert werden.«
»Mit Ausnahme von dir«, sagte Torak.
»Sei still!«, zischte die Anführerin der Waldpferde.
Torak hob den Kopf und funkelte Thiazzi an. »Du brichst die Clangesetze, so oft du willst. Oder etwa nicht, Thiazzi?«
Verwirrte Gesichter wandten sich dem Schamanen zu.
»Du tötest Jäger«, fuhr Torak fort. »Du hast meinen Vater ermordet. Meinen Blutsverwandten …«
»Schweig!«, kreischte die Anführerin der Waldpferde. »Wie kannst du es wagen, unseren Schamanen zu beleidigen?«
»Er ist nicht euer Schamane«, entgegnete Torak. »Er ist ein Seelenesser.«
Ein wütendes Geheul entrang sich der Menge, aber Thiazzi frohlockte. »Er verrät sich durch seine eigene Zunge! Das ist Beweis genug für seine Niedertracht!«
»Was ist bloß los mit euch allen?«, brüllte Torak.
Die Bäume erbebten. Fackeln flammten zuckend auf. Sogar die Anführerin der Waldpferde wich zurück.
Mit seiner vernarbten Brust und den blitzenden Augen sah Torak schrecklich und Angst einflößend aus – genau so, wie Thiazzi ihn dargestellt hatte. »Habt ihr vergessen, wie man nachdenkt? «, fuhr er die Menge an. »Kommt es euch nicht seltsam vor, dass euer neuer Schamane plötzlich so kriegslüstern ist? Merkt ihr denn nicht, dass er keiner von euch ist?«
Renn hatte ihn noch nie so wütend gesehen. Sein Zorn war wie die eisig kalte Wut des Eisbären. Sie machte ihr Angst. Und sie machte auch den anderen Angst.
Thiazzis Lachen brach den Zauber. »Seht seine Verzweiflung! Er weiß, dass er
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