Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)
einem Wolf das Rückgrat brechen. Renn hatte nicht die geringste Chance.
Der Elch stürmte auf sie zu, und Torak spürte den Boden erbeben, roch den moschusartigen Dunst des erbosten Tieres. Plötzlich fühlte er einen reißenden Schmerz im Magen – ein Schmerz, der ihm auf entsetzliche Weise vertraut war …
… und unversehens war es seine , Toraks, Wut, die den gewaltigen Elchkörper vorantrieb und die Zweige beiseiteschnellen ließ, während er mit donnernden Hufen auf Renn zustürmte.
Das ist kein Traum , dachte er. Das geschieht tatsächlich!
Kapitel 8
Der Elch stürzte aus dem Dickicht und Renn warf sich hinter die Eiche. Mit erschreckender Beweglichkeit drehte der Elch auf einem Huf. Renn duckte sich weg und wich ihm erneut aus. Der Elch preschte an ihr vorbei und machte sofort zum nächsten Angriff kehrt.
Atemlos und verschwitzt kauerte Renn neben dem Baumstumpf. In der Nähe gab es nichts, was sie hätte erklettern können. Vor zwei Sommern waren alle Bäume auf dieser Böschung gefällt worden, um Platz für ein Lager zu machen, und obgleich der Fluss nur zehn Schritte entfernt war, würde sie es nie und nimmer bis dorthin schaffen. Ganz abgesehen davon, dass Elche schwimmen konnten.
Eine Wurzel bohrte sich in ihr Knie, und als sie etwas beiseiterückte, wäre sie um ein Haar in ein Loch gestürzt. Irgendein Bau. Sie richtete ein paar gemurmelte Dankesworte an ihren Hüter, umklammerte ihre Waffen und kroch rückwärts in die Öffnung hinein. Dort unten war sie in Sicherheit, das Loch war zu schmal für die Geweihschaufeln des Elches. Elche wühlten die Erde nicht auf, zumindest keine normalen Elche.
Dieser Elch benahm sich allerdings nicht wie ein normaler Elch.
Dieser hier war ohne jede Vorwarnung zum Angriff übergegangen, ohne dass zuvor das Geringste geschehen war. Nach einer durchwachten Nacht war sie, von bleierner Müdigkeit befallen, aus ihrem Unterschlupf gekrabbelt und stromaufwärts marschiert. Falls jemand fragte, würde sie antworten, dass sie auf der Jagd gewesen sei, in Wahrheit jedoch machte sie sich Sorgen um Torak. Sie hielt verzweifelt Ausschau nach einer Spur von ihm, aber wahrscheinlich war er längst auf und davon.
Dann war mit einem Mal der Elch aus dem sumpfigen Dickicht gebrochen.
Sein plötzliches Auftauchen hatte Renn zwar überrascht, aber keineswegs beunruhigt. Das Tier hatte vermutlich im Riedgras geäst oder nach schmackhaften Wasserlilienwurzeln getaucht. Sie würde Abstand halten, um zu zeigen, dass sie nicht auf der Jagd war, dann würde es weitertraben.
Auf den plötzlichen Angriff des Elches war sie überhaupt nicht vorbereitet gewesen.
Erdkrumen bröckelten ihr übers Gesicht und sie schüttelte sich. Sie spähte in die graue Himmelsscheibe und ihr wachsames Jägerauge entdeckte einige schwarz-weiße Haare, die am Rand der Höhle klebten. Hoffentlich schlief der Dachs, in dessen Bau sie soeben eingedrungen war, weit weg und tief unten im Erdreich. Hier saß sie fest, in der Klemme zwischen einem wahnsinnigen Elch und einem wütenden Dachs. Keine rosigen Aussichten.
Was sollte sie tun? Glücklicherweise waren Bogen und Pfeile unversehrt geblieben und auch die Axt hielt sie noch in der Hand. Entweder sie wartete, bis ihr jemand zu Hilfe kam, oder sie befreite sich auf eigene Faust aus ihrer misslichen Lage.
Gegen den Elch zu kämpfen war glatter Selbstmord. Das Tier war so riesig, dass sie aufrechten Hauptes unter seinem Bauch hindurchgehen konnte, und sein Geweih war breiter als ihre ausgestreckten Arme. Ein Stoß, und sie würde daran zappeln wie ein aufgespießter Fisch. Ganz zu schweigen von den Hufen … Renn hatte einmal beobachtet, wie eine Elchkuh einen Bären mit zwei Tritten getötet hatte. Sie hatte ihn mit einem Schlag gegen das Kinn betäubt, sich anschließend auf die Hinterläufe gestellt und ihm mit ihren Vorderhufen den Schädel gespalten.
Doch dieser Elch war kein Muttertier, das sein Junges beschützte, sondern ein Bulle. Und bis zur Brunftzeit, wenn die Bullen gefährlich wurden, waren es noch vier Monde.
Warum also dieser Angriff? War das Tier krank? Hatte sich eine Wunde entzündet? Sie hatte keine Anzeichen dafür bemerkt. Dämonen? Nein. Hier ging etwas anderes vor. Etwas Seltsames …
Noch mehr Erdbröckchen fielen ihr aufs Gesicht und sie spuckte die kiesigen Krumen aus. Unendlich langsam und vorsichtig richtete sie sich auf. Spähte aus ihrem Unterschlupf.
Ein Strahl frühen Morgenlichts lag auf dem Sumpf. Eine Brise
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