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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Schwimmbewegungen glitt er seitlich ins Schilf zurück und hoffte, zwischen der Absperrkette seiner Verfolger hindurchzuschlüpfen.
    Es erwies sich als schwieriges Unterfangen, den Körper unter Wasser stets auf gleicher Höhe zu halten. Seine Ausrüstung zog ihn beständig nach unten, und um das Luftrohr senkrecht zu halten, musste er Wasser treten und den Kopf weit zurücklehnen. Mit schmerzendem Nacken starrte er hoch in das dichte Schilf. Die Oberfläche des Sees war so hell und hart wie Eis, gesprenkelt von kleinen, auf dem Wasser treibenden Staubinseln.
    Er hörte das Knabbern fressender Fische, sah eine rötlich aufblitzende Schule Saiblinge vorüberhuschen. Als er nach unten blickte, war der Grund des Sees nicht weit entfernt. Lichtflecke wanderten über Felsbrocken und von Unkraut überwucherte, pelzige Stämme. Seine Füße versanken im Schlick, der in grünen Wolken aufstieg wie Rauch. Mit der freien Hand berührte er ein Gitter aus Schilf, das zuerst nachgab und dann zurückschnellte.
    Aber das war ja kein Schilf, sondern ein Netz, ein Netz aus Knüpfgras, an Treibhölzern befestigt und mithilfe von Steinen beschwert; die Stränge waren zum Durchschneiden zu hart, und das Netz war so groß, dass Torak das Ende nicht einmal erkennen konnte.
    Er wirbelte herum und erspähte ein zweites Netz. Die Otter umzingelten ihn.
    Kurz entschlossen warf er das Luftrohr beiseite und tauchte tiefer.
    Da gellten auch schon Schreie über ihm: Die Otter hatten ihn entdeckt.
    Mit kräftigen Beinbewegungen schwamm Torak weiter hinunter, unter den Netzen durch, auf der Flucht vor dem Fischspeer, der sich jeden Augenblick zwischen seine Schulterblätter bohren konnte.
    In seinem Kopf blitzten Lichter auf, und die Schreie vermengten sich zu einem dumpfen Dröhnen, als er immer tiefer tauchte.
    Eine verwirrende Blasenspur perlte an ihm vorbei. Eine zweite kreuzte die erste, kurz darauf gefolgt von einer dritten. Eine zuckende Flosse, gurgelndes Lachen. Plötzlich hatte Torak Angst. Er hatte dieses Lachen schon einmal gehört, damals, als er die Donnerfälle hinuntergestürzt war. Das Verborgene Volk aus dem See war hinter ihm her.
    Sie umschwärmten ihn, betasteten mit knochenlosen Fingern seine Augen und seinen Mund. Du bist uns bestimmt, gurgelten sie, Junge mit den wandernden Seelen! Schenke uns deine silbernen Blasen und wir führen dich hinunter in die Tiefe.
    Etwas umfasste seine Brust, drohte ihm die Rippen zu zermalmen. Torak wurde dunkel vor Augen. Er wand sich wie ein Aal, schüttelte den Schlafsack ab, und das Verborgene Volk wirbelte ihn davon.
    Als Nächstes folgte sein Bogen, doch der Gurt des Köchers war an Toraks Gürtel festgeschnallt. Er zückte das Messer und durchschnitt ihn, spürte Finger, die den Köcher in die schlammige Tiefe zerrten. Er ergriff die Gelegenheit und stieg mit einer kräftigen Beinbewegung nach oben.
    Ungeachtet der drohenden Speere und Jäger tauchte er wieder auf.
    Um ihn herum war nur schweigendes, stummes Schilf. Dann erkannte er das Sumpfgrasbüschel, das einem Kauernden glich. Er war wieder am Steg. Schmal wie eine Hand, lud er ihn ein, den tropfenden grünen Tunnel zu betreten.
    In einiger Entfernung vernahm er unterdrückte, furchtsam klingende Stimmen.
    »Arrin hat einen Bogen gefunden«, sagte ein Mann. »Etwas südwestlich von hier.«
    »Das Verborgene Volk hat ihn zu sich genommen«, sagte eine Frau.
    »Oder der See«, warf ein anderer Mann ein, dessen Stimme älter klang.
    »Still, sonst hören sie uns am Ende noch«, sagte die Frau. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als mit leeren Händen zurückzukehren. Ananda hat uns nicht nach dem Bogen eines ertrunkenen Ausgestoßenen geschickt.«
    »Wenn Ananda unbedingt Wasser aus der Heilquelle braucht«, knurrte der Ältere, »soll sie sich selbst welches holen. Ich wage mich jedenfalls nicht mal in die Nähe dieser Quelle.«
    Die Stimmen verklangen allmählich, während seine Verfolger davonruderten. »… hier noch Wache halten, falls er nach Süden zu fliehen …«
    Völlig erschöpft hievte sich Torak auf festeren Boden und starrte auf den Steg. Im Süden waren die Otter, im Norden das entsetzliche, stinkende Netz. Ihm blieb keine Wahl.
    Wolf tauchte aus dem Nebel auf und gesellte sich zu ihm. Er machte einen eigenartig verängstigten Eindruck, andererseits fiel es Torak zunehmend schwerer, die Stimmungen seines Gefährten zu deuten.
    Torak wusste, dass es ihn zu diesem Ort gezogen hatte, seit er ausgestoßen worden war. Nach

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