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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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sich mit dem zitternden Ruf des Tauchvogels.
    Jetzt griff auch das Mädchen in den Beutel, holte eine lange Schlinge aus geflochtenem Riedgras hervor und wob sie zwischen den Fingern. Renn sah, wie sich Muster daraus bildeten: ein Fischernetz, ein Boot, ein winziges Totenpodest : Ihre Gedanken fingen an zu zerfasern.
    Sie schüttelte sich wach.
    »Langsam, langsam«, flüsterte der Junge. »Es kommt.«
    Zuerst hörten sie es, wie es in die Hütte hineinwehte und gurgelte. Dann spürten sie es: Wasser, das um ihre Beine rauschte.
    Renn zuckte erschrocken zusammen. Bale rückte instinktiv ein Stück zur Seite.
    »Nicht bewegen«, warnte der Junge.
    Jetzt spürte Renn die glitschige Kälte von Wassergras, das sich um sie herum wand. Sie warf einen Blick nach unten. Der Boden der Hütte war trocken. Trotzdem… fühlte sie es: Wassergras, das um ihre Beine, ihre Hüfte, ihre Arme strudelte. Sie kämpfte dagegen an. Sie konnte sich nicht bewegen.
    Sie konnte nur zusehen, wie das blinde Mädchen beide Hände nach Bale ausstreckte. Der versuchte, sich ihr zu entziehen, aber das unsichtbare Wassergras hielt ihn fest.
    Die Fingerspitzen des Mädchens waren weiß und aufgedunsen, als wären sie zu lange im Wasser gewesen. Sie huschten wie Elritzen über Bales Gesicht, zeichneten seinen Unterkiefer nach und strichen über die Muskeln an seinem Hals.
    Das blinde Mädchen öffnete den Mund. Seine Stimme war wie das Rauschen über den Strandkies gleitender Wellen. »Deinem Bruder geht es jetzt besser«, murmelte sie. »Der Tod hat seinen Schmerz geheilt.«
    Bale keuchte erschrocken auf.
    Die weißen Finger glitten rasch auf seinen Nacken zu, doch dann zog sie sie mit einem Stöhnen wieder zurück. »Ah! Du musst deine Zeit gut nutzen!«
    Sie ließ ihn los und Bale senkte schwer atmend den Kopf.
    Als das blinde Mädchen sich ihr zuwandte, nahm Renn allen Mut zusammen. Sie schloss die Augen und spürte ein Flattern im Gesicht, weich und kühl, wie wenn man einen Frosch berührt. Sie versuchte mit aller Kraft, jede Erinnerung an Torak zu bannen, aber die dünnen Finger reichten bis in ihre Gedanken hinein und zogen sie an die Oberfläche, bis sie an nichts anderes mehr denken konnte.
    Sie sah ihn nicht so, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte, zusammengekauert in dem Weidendickicht, sondern an einem Frühlingstag, bei der Jagd. Auf ein Knie gestützt untersuchte er das abgebissene Ende eines Haselnussstrauches. Seine dunklen Haare fielen ihm in die Augen, und auf seinem Gesicht lag der verzückte Ausdruck, den es immer annahm, wenn er einer Fährte folgte. Er merkte, dass sie ihn beobachtete, und warf ihr eines seiner seltenen wölfischen Grinsen zu.
    Das blinde Kind griff nach diesem Bild.
    Mit aller Macht stieß Renn die Erinnerung wieder tief nach unten.
    »Ah«, sagte das blinde Mädchen, »diese hier ist stark!«
    Ihre Finger flatterten zu Renns Handgelenken und verweilten dort auf den im Zickzack verlaufenden Tätowierungen. »In ihr wogt ein Kampf«, flüsterte sie. »Sie muss sich vorsehen, sonst reißt er sie entzwei.«
    Wieder stieg ein Bild von Torak vor Renns geistigem Auge auf, aber diesmal stand er an einer schwarzen Küste, und sein Gesicht war so wild, dass sie ihn kaum erkannte.
    Abermals griffen die kalten Finger nach dem Bild.
    Mit ungeheurer Willensanstrengung stieß Renn Torak von sich und richtete ihre Gedanken auf die Natternschamanin. Sie blies in den Funken des Hasses, der in ihrem Herzen schlummerte, und ließ ihn auflodern – eine heiße helle Flamme. Darauf konzentrierte sie sich.
    Das blinde Kind seufzte.
    Renn erschauerte und schlug die Augen auf.
    »Was ist mit dem Ausgestoßenen?«, flüsterte Ananda. »Machen die beiden gemeinsame Sache mit ihm?«
    »Nein«, murmelte das blinde Mädchen. »Aber sie sind mit ihm verbunden. Er durch die Knochen, sie durch das Herz.«
    Ananda runzelte die Stirn. »Das ist kein Verbrechen. Wir müssen sie wieder zum Wald zurückschicken.«
    »Nein!«, riefen die Zwillinge wie aus einem Munde. »Der See braucht sie! Die Kraft des Jungen und die Macht des Mädchens! Sie werden gebraucht, um den Schrecken zu bekämpfen, der in der Nacht kommt!«
    Das Mädchen richtete die trüben Augen auf Renn. »Du kennst diesen Schrecken. Du hast die Macht, ihn zu bekämpfen. Trotzdem hast du Angst davor. Warum? Warum fürchtest du deine Macht?«
    Yolun starrte Renn an. »Bist du auch eine Schamanin?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Sag es, sag es«, drängten die Zwillinge.
    Zum dritten

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