Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)
Plötzlich drehte er sich jedoch um und fauchte einen schwarzen Blitz an, der aus dem Himmel auf ihn niedersauste. Rip stieß ein ohrenbetäubendes Krächzen aus und flatterte wieder davon. Im gleichen Augenblick erfolgte Reks Angriff. Jetzt bedrängten sie beide den Räuber, umkreisten ihn mit gewagten Manövern und versuchten sogar, auf ihn einzupicken. Der Luchs sprang in die Höhe – und sie flüchteten sich in eine Kiefer, ohne mit ihrem heiseren Geschrei aufzuhören.
Mit peitschendem Schwanz schlich der Luchs abermals auf den Kadaver zu.
Torak stand breitbeinig da und zitterte vor Fieber. Die Narbe hatte sich wieder geöffnet, warmes Blut sickerte über seine Brust.
Von den Wolfsjungen war nichts zu sehen. Aber er wusste, dass sie schon bald ihre Nasen wieder ins Freie stecken würden.
Dann würde der Luchs über sie herfallen.
Wolf setzte zwischen den Bäumen hindurch. Er kannte dieses Krächzen! Was hatten die Raben bei der Höhle zu suchen?
Der Wind drehte sich und führte Luchsgestank und den Geruch von Wolfsfleisch und Groß Schwanzlos mit sich. Wolf lief schneller und das Rudel lief mit ihm.
Die Weibchen waren am schnellsten und erreichten die Höhle als Erste. Er sah, wie die Leitwölfin auf den Luchs zuhielt und ihn in den Wald trieb, dicht gefolgt von Dunkelfell und den anderen.
Wolf bremste abrupt ab. Er sah Weißpfote Ohn-Hauch vor der Höhle liegen. Dann sah er Groß Schwanzlos mit seiner großen Kralle in der Vorderpfote. Er wusste sofort, was geschehen war, und in ihm rangen Wut, Freude und Sorge miteinander.
Die Raben krächzten von den Bäumen, aber Wolf achtete nicht auf sie.
Am Rande des Lagerplatzes erkannte er die undeutliche Gestalt eines Wolfes. Er warf ihr einen beruhigenden Blick zu, und das, was von Weißpfote übrig war – der Hauch, der lief –, verharrte noch einen Moment und trottete dann, beruhigt, da er die Jungen in Sicherheit wusste, in den Wald.
Schwarzohr, Pirscher und der Leitwolf funkelten Groß Schwanzlos mit gesträubten Nackenhaaren an.
Wolf zitterte vor Verlangen, zu ihm zu gehen, aber der Leitwolf musste entscheiden, ob Groß Schwanzlos ein Freund des Rudels war.
Der Leitwolf ging zu dem Fleisch, das einmal Weißpfote gewesen war, dann näherte er sich steifbeinig Groß Schwanzlos.
Groß Schwanzlos blieb ruhig stehen und hielt die Augen abgewandt, so wie es einem Fremden zukam. Wolf beobachtete besorgt, dass er schwankte.
Mit immer noch gesträubten Nackenhaaren beroch der Leitwolf Groß Schwanzlos.
Die Jungen tauchten am Eingang der Höhle auf und jaulten kläglich, kamen aber nicht heraus. Sie warteten ab, was geschehen würde.
Die Nackenhaare des Leitwolfes legten sich und er rieb sich die Flanke an Groß Schwanzloses Bein. Dann lief er los, um die Jungen zu begrüßen.
Pirscher und Schwarzohr sprangen mit großen Sätzen an Groß Schwanzlos vorbei, um das Gleiche zu tun, und er sank zu Boden – ohne sich weiter um die Raben zu kümmern, wie Wolf froh bemerkte.
Wolf klappte die Ohren ein und wackelte mit dem Schwanz.
Rudelgefährte, sagte Groß Schwanzlos.
Wolf stieß ein leises Jaulen aus und raste zu ihm.
Kapitel 25
In der Geborgenheit des Rudels fand Torak zum ersten Mal seit zwei Monden wieder ruhigen Schlaf.
Er wachte am Nachmittag auf, zusammengerollt am Rande des Lagerplatzes. Die Wunde auf seiner Brust schmerzte, aber sein Husten war fast weg und er fühlte sich schon viel besser.
Der Leitwolf stimmte ein Heulen an und die anderen fielen ein. Torak schloss die Augen. Der Wolfsgesang durchdrang ihn. Er hörte die Trauer um ihren toten Rudelgefährten und die Freude über die geretteten Jungen; und Dankbarkeit gegenüber dem Freund, der sie gerettet hatte. Er überließ sich der Freude, wieder mit Wolf vereint zu sein.
Wolf spürte sofort, dass Torak wach war. Er kam angesprungen, und sie leckten einander spielerisch über die Schnauzen, so wie sie es immer getan hatten; als wäre all das Schmerzliche zwischen ihnen niemals geschehen.
Es tut mir leid, sagte Torak in der Wolfssprache, obwohl es nur ein kleiner Teil dessen war, was er empfand.
Ich weiß, sagte Wolf.
Und damit war die Sache erledigt.
Das Geheul endete und ein junges Weibchen – eine schöne schwarze Wölfin mit Augen wie grüner Bernstein – kam mit einem fauligen Fischkopf im Maul zu Torak getrottet und legte ihn als Geschenk vor ihm ab. Er bedankte sich und sie berührten sich mit den Nasen. Dann rannten sie und Wolf davon, um mit den Welpen zu
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