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Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Schamanenfluch: Band 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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spielen.
    Sobald er sicher war, dass Wolf mit dem Fangenspiel beschäftigt war, schob Torak den Fischkopf für Rip und Rek auf die Astgabel einer Birke. Vor seinem Rudelgefährten hatte er sich absichtlich nicht groß um die beiden gekümmert, weshalb sie in einer Kiefer gesessen und geschmollt hatten. Der Leckerbissen lockte sie wieder hervor, und schon bald stritten sie sich darum, wer ihn verspeisen durfte.
    Es war ein heißer Nachmittag und der tote Wolf fing an zu stinken. Torak zog ihn ein Stück in den Wald hinein. Sollten die Raben ungestört an ihm herumpicken, und falls der Luchs noch einmal zurückkehrte, sollte auch er sich gütlich daran tun.
    Dann ging er los, um für sich selbst etwas zu essen zu suchen. Nachdem er sich einen Speer aus einem Haselnussbaum geschnitten hatte, weckte er ein Feuer und härtete die Speerspitze, bevor er sich zum See aufmachte, um dort sein Glück zu versuchen.
    Es dauerte nicht lange, bis er einen Hecht gespießt hatte. Unter den neugierigen Augen einer Gruppe Wölfe briet er ihn und verzehrte alles bis auf den Schwanz, den er als Opfergabe ins Röhricht band. Anschließend rundete er das Mahl mit mehreren Handvoll knackiger Wasserkresse und ein paar frühe Multbeeren ab, die wie Honig auf seiner Zunge zergingen.
    Nachdem er sich zum ersten Mal seit Tagen richtig satt fühlte, setzte er sich unter eine Erle, um seine Kleidung zu flicken. Ohne Nadel und Faden war das nicht so einfach. Die Beinlinge schnitt er kurzerhand am Knie ab, und da sein Wams völlig zerfetzt war, verabschiedete er sich von ihm und ging mit nackter Brust. Aus den Resten des Wamses machte er sich ein neues Stirnband.
    Sobald das erledigt war, legte er sich auf den Rücken und machte überhaupt nichts mehr.
    Auf dem See ließ sich eine Stockente treiben und putzte sich, zur Seite gelegt, die Bauchfedern. Zwei Krickenten streckten die Schwänze in die Luft und gründelten. Ein Otterweibchen brachte seinen Jungen das Schwimmen bei. Die Kleinen paddelten aufgeregt durchs Wasser und waren viel zu flauschig, um unterzugehen.
    Die Raben planschten am Ufer herum und die Wolfsjungen spielten Jag-die-Multbeere. In den schlammigen Abflüssen des Sees versuchten Wolf und drei fast ausgewachsene Jungwölfe vergeblich, Fische zusammenzutreiben.
    Torak verspürte einen Anflug ungetrübten Glücks. Wölfe, Raben, Otter, Bäume, Steine, See: Er befand sich in friedlichem Einklang mit ihnen allen. Einen Moment lang spürte er, wie sich seine Weltseele den Weltseelen jedes anderen Lebewesens entgegendehnte und mit ihnen, gleich goldenen Altweibersommerfäden, im Wind trieb. Wolfs bernsteinfarbener Blick suchte den seinen, und Torak wusste, dass auch er es spürte: dass alles richtig und an seinem Ort war.
    Auf der anderen Seite des Sees teilten sich die Schilfrohre, als würde von dort ein heimlicher Zuschauer zu ihnen herüberspähen, und der Leitwolf drehte den Kopf und sah aufmerksam hin. Torak fragte sich vergebens, was er dort sehen mochte.
    Der Rudelanführer war ein großer schiefergrauer Wolf mit einer weißen Blesse auf der Brust. Torak bewunderte die Art, wie er seine Anführerschaft bestimmt, aber ohne Prahlerei, in Anspruch nahm, wie er sich niemals durch rüpelhaftes Auftreten erniedrigte und stets um sein Rudel besorgt war. Genau wie Fin-Kedinn, dachte Torak mit einem sehnsüchtigen Stich im Herzen.
    Die jungen Wölfe tollten im flachen Uferwasser herum. Wolf kam zu Torak gesprungen und ließ sich schwanzwedelnd auf die Vorderpfoten nieder. Komm und spiel mit uns!
    Torak zog Messer, Gürtel und Beinlinge aus und sprang in den See.
    Nach der Hitze des Nachmittags war das Wasser köstlich kalt. Er schwamm durch schräg stehende Sonnenstrahlen und sich sanft wiegendes grünes Wassergras. Goldfarbene Rotaugen und Blaurückenschleien flitzten vorüber. Auf der Unterseite eines Teichrosenblattes hing eine Blase wie eine Perle und er brachte sie mit den Fingern zum Platzen.
    Wolfs Pfoten huschten vorbei und Torak zog ihn am Schwanz. Wolf stieß ein verdutztes Jaulen aus, Torak sprang in einem Regen aus glitzernden Tropfen in den hellen Sonnenschein hinaus und sie rauften miteinander: Wolf knurrte spielerisch und Torak schrie vor Lachen.
    Er war glücklich. So wie jetzt könnte er immer leben.

    Wolf sprang auf, drehte sich in der Luft und warf sich auf den halb im Wasser liegenden Groß Schwanzlos. Sein Rudelgefährte tauchte ins Nass unter und kam kurz darauf mit seinem hell jaulenden Lachen wieder an die

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