Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
großen, zugefrorenen See Rast machten. »Irgendwann entwischen wir dir.«
    »Und wo wollt ihr dann hin?«, erwiderte Inuktiluk. »Ihr kämt nie in den Hohen Norden, geschweige denn um den Eisfluss herum.«
    Renn und Torak horchten auf. »Was für ein Eisfluss?«
    »Ungefähr einen Schlaf von hier. Kein Mitglied der Eisclans hat ihn je überquert und ist zurückgekommen.«
    »Wir haben schon mal einen Eisfluss überquert«, erwiderte Torak trotzig.
    »Aber nicht so einen.«
    »Dann gehen wir eben außen herum«, sagte Renn.
    Inuktiluk machte eine wegwerfende Handbewegung und pfiff seinem Leithund. »Wir gehen zu Fuß über den See. Bleibt immer hinter mir und tut, was ich euch sage!«
    Wütend und enttäuscht gehorchten die beiden – und hatten bald genug damit zu tun, nicht hinzufallen.
    »Bleibt immer auf weißem Eis!«, rief Inuktiluk über die Schulter.
    »Was stimmt denn nicht mit dem grauen Eis?« Renn betrachtete argwöhnisch eine dunklere Stelle.
    »Das ist neues Eis. Sehr gefährlich! Wenn ihr solche Stellen überqueren müsst, haltet Abstand voneinander und bleibt auf gar keinen Fall stehen.«
    Torak und Renn wechselten einen Blick und ließen mehr Abstand zwischen sich.
    Sogar das weiße Eis war vom Wind so trügerisch glatt geschliffen, dass sie nur langsam zu schlurfen wagten. Inuktiluks Stiefel hatten offenbar raue Sohlen, sodass er flott ausschreiten konnte, die Hunde mit ihren spitzen Klauen hatten es am leichtesten. Nur der Welpe schlitterte auf seinen Pfotenschonern unbeholfen einher und erinnerte Torak schmerzlich an Wolf. Der war als Welpe auch immerzu über seine Pfoten gestolpert.
    »Wie tief ist der See?«, erkundigte sich Renn.
    Inuktiluk lachte. »Das spielt keine Rolle. Das Wasser ist so kalt, dass du tot bist, ehe du um Hilfe rufen kannst!«
    Renn und Torak waren froh, als sie endlich das andere Ufer erreichten und wieder festen Schnee unter den Füßen hatten. Während Inuktiluk die Pfoten der Hunde inspizierte, nahm Torak Renn beiseite. »Hier ist es hügeliger. Wenn wir weglaufen, könnten wir uns verstecken«, raunte er.
    »Und dann? Wie sollen wir um den Eisfluss herumkommen? Wie sollen wir das Auge der Natter finden? Wir sind auf Inuktiluk angewiesen, Torak, sieh es endlich ein!«
    Hier, jenseits des Sees, gab es schroffe Grate und wellige Senken und sie kamen nur langsam voran. Um die Hunde zu entlasten, stiegen sie, wenn es bergauf ging, vom Schlitten, erklommen die Hänge zu Fuß und sprangen wieder auf, wenn es bergab ging, wobei Inuktiluk die Fahrt verlangsamte, indem er ein Rentiergehörn in den Schnee bohrte.
    Die Kälte zehrte an Toraks und Renns Kräften, aber der Eisfuchsmann war unermüdlich. Man merkte, dass er dieses seltsame, kalte Land liebte, und es schien ihm keine Ruhe zu lassen, dass sich Renn und Torak hier so gar nicht auskannten. Er bestand darauf, dass sie viel tranken, auch wenn sie keinen Durst hatten, und hieß sie, die Wassersäcke unter die Jacken zu stecken, damit der Inhalt nicht gefror. Er riet ihnen auch, sich den Speck, von dem sie sich ernährten und mit dem sie sich die Gesichter einrieben, gut einzuteilen. »Ihr müsst noch welchen zum Eisschmelzen übrig lassen. Ohne Speck kein Trinkwasser.«
    Angesichts ihrer verständnislosen Mienen seufzte er: »Wenn ihr hier zurechtkommen wollt, müsst ihr euch verhalten wie wir. Ahmt einfach die anderen Geschöpfe hierzulande nach. Das Moorschneehuhn gräbt sich einen Unterschlupf in den Schnee – wir auch. Die Eiderente polstert ihr Nest mit Federn – wir machen es mit unseren Schlafsäcken genauso. Wir essen unser Fleisch roh wie der Eisbär. Wir haben an der Kraft und Ausdauer von Rentier und Robbe teil, indem wir unsere Kleidung aus ihrem Fell fertigen. So ist es hier Brauch.« Er musterte prüfend den Himmel. »Und vor allem achten wir immer auf den Wind, denn er bestimmt unser ganzes Leben.«
    Wie zur Antwort drehte der Wind und blies wieder von Norden. Torak spürte seine eisige Berührung im Gesicht und begriff, dass er noch nicht besänftigt war.
    Inuktiluk musste seine Gedanken erraten haben, denn er drehte sich um und deutete auf das andere Seeufer, wo einer der seltsamen Steinmänner stand. »Die stellen wir zu Ehren des Windes auf. Früher oder später müsst auch ihr ihm ein Opfer bringen.«
    Damit war Torak gar nicht einverstanden. Ganz unten in seiner Trage lag Fas blaues Schiefermesser und im Medizinbeutel hatte er das Medizinhorn seiner Mutter. Er konnte sich nicht vorstellen, sich auch

Weitere Kostenlose Bücher