Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Natter finden. Vielleicht hat er ja die Eisfüchse gemeint.«
Daran hatte Torak auch schon gedacht, trotzdem hatte er Bedenken. »Wollen wir uns wirklich darauf verlassen?« Er hätte Inuktiluk gern vertraut, wusste aber aus bitterer Erfahrung, dass jemand Gutes tun und trotzdem eine schwarze Seele haben konnte.
»Stimmt schon«, erwiderte Renn. »Wir erwähnen es lieber nicht. Erst wenn wir ganz sicher sind, dass er es ehrlich meint.«
Inuktiluk krempelte jetzt ihre Kleider von innen nach außen und legte sie auf den Schlitten. Sie gefroren sofort und er schlug das Eis mit der flachen Messerklinge ab. Dann ging er Fleisch holen und fütterte die Hunde.
Fünf davon waren ausgewachsen, der sechste war ein ungefähr fünf Monde alter Welpe. Da seine Pfotenballen noch nicht schwielig genug waren, trug er lederne Pfotenschoner. Er jaulte vergnügt, als ihn Inuktiluk auf den Rücken wälzte, um nachzusehen, ob die Schoner noch richtig saßen.
Torak musste an Wolf denken. Sein Traum kam ihm wieder in den Sinn und seine Stimmung trübte sich. Er erzählte Renn davon. »Wolf hat Fa begleitet und Fa ist tot. Hat mir Fas Geist den Traum gesandt? Will er mir mitteilen, dass Wolf auch tot ist?«
»Vielleicht war es ja nicht dein Vater, der dir den Traum gesandt hat, sondern Wolf. Vielleicht hat er um Hilfe gerufen.«
»Er muss doch wissen, dass wir ihn holen kommen.«
Renn machte ein betretenes Gesicht.
Torak erwog schon, ihr von den Seelenessern zu erzählen, aber da kam Inuktiluk wieder herein.
»Anziehen!«, sagte er streng.
Ihre Kleider waren einigermaßen trocken, aber unangenehm kalt. Dass ihnen Inuktiluk mit unverhohlener Missbilligung beim Anziehen zusah, machte es nicht besser. »Ihr seid viel zu mager. Wer hier zurechtkommen will, braucht Speck auf den Rippen! Wisst ihr das etwa auch nicht? Hier im Norden sind alle dick und rund – Robben, Bären, Menschen!« Dann erkundigte er sich, wie sie hießen.
Sie wechselten einen kurzen Blick, dann nannte ihm Renn ihre Namen und Sippen.
Inuktiluk schien bestürzt, dass Torak zum Wolfsclan gehörte. »Das wird ja immer schlimmer«, brummelte er.
»Wie meinst du das?«, fragte Torak.
Inuktiluk machte ein abweisendes Gesicht. »Das erkläre ich euch ein andermal.«
»Bitte erklär es uns jetzt. Du hast uns das Leben gerettet und dafür sind wir dir dankbar. Aber verrate uns bitte, warum du nach uns gesucht hast.«
»Na gut«, willigte der Eisfuchsmann schließlich ein. »Vor dreimal Schlafen hat sich eine unserer Ältesten in Trance versetzt, um das nächtliche Himmelsfeuer zu beobachten, und die Geister der Toten haben ihr ein Gesicht gesandt. Von einem Mädchen, das rotes Weidenhaar hat wie der Weltgeist im Winter, und einem Jungen mit Wolfsaugen.« Er machte eine kleine Pause. »Die Älteste hat gesehen, wie der Junge eine furchtbar böse Tat begehen wollte. Darum hat man mich ausgeschickt, dich zu suchen. Damit du das Eisvolk nicht ins Unglück stürzt.«
»Ich habe nichts Böses getan«, widersprach Torak empört.
Inuktiluk ging darüber hinweg. »Wer seid ihr? Was wollt ihr hier, wo ihr nicht hingehört?«
Als die beiden nicht antworteten, rollte er die Schlafsäcke zusammen und ging wieder hinaus. »Reibt euch die Gesichter noch mal mit Speck ein und bringt die Lampe mit raus. Wir brechen auf«, rief er.
»Wohin denn?«, fragten Torak und Renn wie aus einem Mund.
»Zu unserem Lager.«
»Warum?«, fragte Renn. »Was habt ihr mit uns vor?«
Inuktiluk schien gekränkt. »Wir wollen euch nichts Böses, das ist nicht unsere Art! Wir wollen euch nur besser ausrüsten und wieder heimschicken.«
»Ihr könnt uns nicht zur Umkehr zwingen!«, sagte Torak.
Zu seiner Verwunderung lachte Inuktiluk schallend. »Klar können wir! Ich habe euer ganzes Gepäck auf meinem Schlitten.«
Daraufhin befolgten Renn und Torak wohl oder übel seine Anweisungen.
Inuktiluk hatte seine Eulenaugenblende schon wieder aufgesetzt und warf jedem von ihnen eine ähnliche zu. Dann nahm er eine etwa zwanzig Schritt lange geschmeidige Lederpeitsche zur Hand und sogleich brachen die Hunde schwanzwedelnd in ungeduldiges Geheul aus.
»Warum zeigt der Schlitten nach Westen?«, erkundigte sich Renn beklommen.
»Weil dort unser Lager ist. Draußen auf dem Meereis, bei den Robben.«
Torak war bestürzt. »Wir müssen aber nach Norden!«
Inuktiluk drehte sich zu ihm um. »Nach Norden? Zwei Kinder, die keine Ahnung haben, wie man sich hier im Eis verhält? Ihr wärt noch vor dem
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