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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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nächsten Schlaf tot. Jetzt aber rauf auf den Schlitten!«

Kapitel 9

    DER NORDWIND HEULTE über die weißen Hügel und fegte über die Krüppelkiefern in den flachen Tälern. Er pfiff durch die nördlichen Ausläufer des Waldes und ließ an den Ufern des Axtknaufsees, wo der Rabenclan lagerte, den Schnee aufstieben. Der Wind hätte Fin-Kedinn geweckt, wäre der Anführer der Rabensippe nicht ohnehin wach gewesen. Seit ihm die Weiden Toraks Nachricht überbracht hatten, hatte er kaum ein Auge zugetan.
    Jemand hat Wolf entführt. Wir befreien ihn .
    »Einfach auf gut Glück loszuziehen …«, brummte er und stocherte aufgebracht im Feuer, das vor seiner Hütte glomm. »Warum ist er nicht umgekehrt und hat Hilfe geholt?«
    »Warum ist das Mädchen nicht umgekehrt?«, fragte Saeunn mit krächzender Rabenstimme. Ohne mit der Wimper zu zucken, hielt sie Fin-Kedinns zornfunkelndem Blick stand. Sie war das einzige Sippenmitglied, das es wagte, sich seinem Unmut auszusetzen.
    Beide saßen schweigend da, während über ihren Köpfen der Wind sein Bestes tat, den Wald aufzuwecken. Die Rabenschamanin zog ihr Gewand über die knochigen Knie und wärmte sich am Feuer die mageren Klauenhände.
    Fin-Kedinn stocherte weiter in der Glut, und ein Hund, der sich an ihm vorbei in die Hütte hatte stehlen wollen, schlich mit angelegten Ohren davon und suchte sich einen anderen Unterschlupf.
    »Ich hätte ihn nicht für so leichtsinnig gehalten«, sagte Fin-Kedinn. »Einfach in den Hohen Norden aufzubrechen…«
    »Woher willst du das wissen?«
    Fin-Kedinn zögerte. »Ein paar Jäger vom Schneehuhnclan haben die beiden von Weitem gesehen und es mir heute Morgen berichtet.«
    Saeunn fuhr versonnen mit dem krummen gelblichen Fingernagel über ihr Amulett mit der eingeritzten Spirale. »Am liebsten würdest du die beiden suchen gehen. Du willst deine Brudertochter suchen und heimholen.«
    Der Rabenanführer strich sich den roten Bart. »Ich darf nicht die ganze Sippe in Gefahr bringen, indem ich sie in den Hohen Norden führe.«
    Saeunn betrachtete ihn mit der Gleichgültigkeit einer Frau, die noch nie Zuneigung zu irgendeinem Lebewesen empfunden hat. »Trotzdem tätest du es gern.«
    »Ich habe doch eben gesagt, dass es nicht geht.« Fin-Kedinn warf den Ast weg und zuckte unmerklich zusammen. Der Wind hatte die alte Wunde in seinem Oberschenkel wieder geweckt.
    »Dann lass es auch damit gut sein.« Saeunn zog die Schultern hoch wie ein Rabe die Flügel. »Das Mädchen ist eigensinnig und stur, ich habe es aufgegeben, mich mit ihr herumzuärgern. Was den Jungen betrifft, so hat er sich wohl von seinen… Gefühlen«, sie schürzte die schmalen Lippen, »hinreißen lassen.«
    »Er ist erst dreizehn Sommer alt.«
    »Er hat einer Bestimmung zu folgen«, erwiderte die Schamanin unbeeindruckt. »Sein Leben gehört ihm nicht! Er darf es nicht leichtfertig für einen Freund aufs Spiel setzen. Das mag er jetzt noch nicht verstehen, aber das ändert sich. Wenn er den Wolf nicht findet, wird er von allein umkehren, und dann kannst du die beiden bestrafen.«
    Fin-Kedinn blickte in die Glut. »Warum habe ich ihm nicht gesagt, dass ich ihn als Ziehsohn annehmen will? Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Vielleicht… hätte er mich dann um Hilfe gebeten.«
    Saeunn spuckte ins Feuer. »Was kümmert’s dich? Lass ihn ziehen! Lass ihn losziehen und seinen Wolf suchen.«

Kapitel 10

    WOLF IST IN DEM anderen Jetzt, wo er immer hingeht, wenn er schläft. Dort ist er flinker als das flinkste Reh und kann ganz allein einen Auerochsen reißen, aber wenn er aufwacht, ist er trotzdem hungrig.
    Diesmal ist er wieder ein Welpe. Es ist kalt und nass, seine Eltern und seine Rudelgefährten liegen reglos und Ohn-Hauch im Schlamm. Das hat das Flinke Nass getan. Es kam brüllend herabgerauscht, als Wolf gerade einen Erkundungsausflug unternommen hat.
    Wolf reckt die Schnauze und heult.
    Am anderen Ufer des Flinken Nass kommt ein Wolf angetrabt und will ihn retten!
    Wolf bricht in eifriges Willkommensgekläff aus. Dann wandelt sich seine Freude in Verwirrung. Was für ein sonderbarer Wolf! Er riecht wie ein halbwüchsiger Rüde, aber auch noch nach anderen Geschöpfen. Er läuft auf den Hinterpfoten  – und vor allem hat er keinen Schwanz!
    Trotzdem hat er helle, blanke Wolfsaugen und sein Geist spricht zu Wolfs Geist. Wolf hat einen neuen Rudelgefährten. Einen Rudelgefährten, der ihn nie im Stich lassen wird …
    Wolf schrak hoch.
    Er lag auf dem

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