Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
im Schutz der Nacht herangepirscht. Ein paar Schritt entfernt lagen zwei mit Lederflicken ausgebesserte Boote. Eostra war nirgends zu sehen, aber in zehn Schritt Entfernung hockte eine Adlereule auf einer Eisnase und beobachtete Torak mit gelben Glotzaugen.
Als Torak die drei finsteren Gestalten betrachtete, spürte er, dass unter ihnen Zwietracht herrschte. Feindseligkeit umgarnte sie wie ein Spinnennetz.
Kein Wunder, dachte er. Da die Seelenesser die Opferzeremonie nicht zu Ende geführt hatten, konnten ihnen die Dämonen immer noch gefährlich werden. Ob er sich diesen Umstand irgendwie zunutze machen konnte?
»Durchsucht ihn«, sagte die Natternschamanin. »Irgendwo muss er den Stein ja haben.«
Thiazzi und Nef packten Torak an der Kapuze, zerrten ihm die Jacke über den Kopf und rissen ihm auch das Wams und die übrigen Kleider vom Leib, bis er nackt und zitternd dastand.
Der Eichenschamane machte sich einen Spaß daraus, die Durchsuchung in die Länge zu ziehen und auszukosten. Er schüttelte Toraks Fäustlinge und Stiefel aus, zerbrach das Schneemesser und leerte das Medizinhorn, sodass der Wind das kostbare Erdblut davontrug.
»Der Stein ist nicht da«, sagte Nef bestürzt.
»Bestimmt hat er ihn irgendwo versteckt«, meinte Seshru. Sie trat näher, sah Torak forschend an und fuhr sich mit der spitzen Zunge über die Lippen. »Er trägt die Tätowierung des Wolfsclans. ›Der Wolf lebt.‹ Wer bist du?«
»D-das hab ich euch doch schon gesagt!«, stammelte Torak. »Ich habe den Feueropal nicht.«
Nef bückte sich nach Fas Messer. »Zieh dich wieder an«, befahl sie Torak, ohne ihn anzusehen.
Unbeholfen zog er sich an und klaubte seine Besitztümer auf. Sein Zunderbeutel war leer, der Pfropfen des Medizinhorns fehlte, aber ganz unten im Medizinbeutel stak noch ein Rest von der schwarzen Wurzel der Seelenesser. Torak ließ das Wurzelstück in seinen Handschuh gleiten und schloss die Faust darum. Er wusste selbst nicht, was er damit wollte, hatte nur eine Ahnung, dass er es noch brauchen könnte.
Da packte ihn Thiazzi auch schon und fesselte ihm mit einem Lederriemen die Hände auf den Rücken. Der Riemen saß so stramm, dass Torak aufschrie. Der Eichenschamane lachte höhnisch. Nef fuhr zusammen, griff aber nicht ein.
Torak fiel auf, dass Thiazzi einen blutgetränkten Lederstreifen um die Linke, an der zwei Finger fehlten, gebunden hatte. Immerhin, dachte er grimmig, Wolf hat sich gerächt.
»Wo hast du das her?«, fragte ihn Nef mit ganz veränderter Stimme. Sie stand wie angewurzelt da und betrachtete das Messer in ihrer Hand. Fas Messer.
Torak reckte stolz das Kinn. »Das hat meinem Vater gehört.«
Die Seelenesser wurden ganz still. Die Adlereule wandte den Kopf und glotzte herüber.
»Deinem… Vater?«, wiederholte Nef entgeistert. »Ist dein Vater etwa der Wolfsschamane?«
»Ja«, erwiderte Torak. »Derselbe Mann, der dir damals das Leben gerettet hat.«
»Der Mann, der uns verraten hat!«, fauchte Thiazzi.
Torak sah ihn hasserfüllt an. »Der Mann, der euch entlarvt hat! Der Mann, den ihr umgebracht habt!«
»Du bist also sein Sohn!«, sagte Nef leise. Sie hob skeptisch die Augenbrauen. »Wie … wie heißt du?«
»Torak.«
»Torak«, wiederholte die Schamanin. Sie suchte seinen Blick, und Torak spürte, dass er für sie zum ersten Mal nicht einfach nur »der Junge« war, der neunte für die Opferung vorgesehene Jäger, sondern Torak, der Sohn des Wolfsschamanen.
»›Der Wolf lebt‹«, sagte die Natternschamanin mit falschem Lächeln. »Das sollte die Botschaft also bedeuten. Was für eine Enttäuschung.«
Der Eichenschamane war mit seiner Geduld am Ende. Er schob Seshru weg, packte Torak am Schopf und riss ihm den Kopf in den Nacken. Dann hielt er ihm das Messer an die Gurgel. »Du verrätst uns sofort, wo du den Feueropal gelassen hast, sonst schneide ich dir die Kehle durch!«
Torak blickte in die grünen Augen und erkannte, dass es dem Hünen ernst war. Er überlegte rasch. »Das Mädchen hat ihn«, keuchte er. »Die Seelenwanderin.«
»Welches Mädchen?«
»Eine Seelenwanderin?«, wiederholte Nef heiser.
Torak schielte zu Seshru hinüber. »Sie hat davon gewusst. Sie hat schon die ganze Zeit davon gewusst, aber sie hat es euch verschwiegen.«
Thiazzi und Nef wandten sich nach der Natternschamanin um.
»Stimmt das?«, fragte Thiazzi vorwurfsvoll und versetzte Torak einen Stoß, dass er auf die Knie fiel.
»Das hat er sich ausgedacht«, entgegnete Seshru. »Begreift
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