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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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hatte.
    Erst musste er aber herausfinden, was das Weibchen vorhatte.
    Er blieb höflich stehen und erkundigte sich mit einem Ohrenzucken, ob sie auf Entenjagd war.
    Sie übersah ihn.
    Wolf wartete noch ein Weilchen ab, denn er wusste ja, dass die Schwanzlosen so erbärmlich schlecht hörten und witterten, dass man direkt vor ihrer Nase stehen konnte, ohne dass sie es mitbekamen.
    Irgendwann kam er zu dem Schluss, dass sie nichts dagegen haben würde, und pirschte sich durchs Farnkraut an die Enten heran.
    Mit einem Satz war er zwischen ihnen. Sie stoben unter erfreulich empörtem Quaken ins Oben.
    Zu seiner Verblüffung kläffte ihn Weibchen Schwanzlos ärgerlich an. »Woff! Woff!«, blaffte sie und schwenkte drohend die Lange Klaue.
    Wolf trabte gekränkt davon. Sie hätte ihm ja sagen können, dass sie auf der Jagd war! Schließlich hatte er vorher gefragt.
    Aber er war nicht nachtragend. Er lief los, um die Gegend zu erkunden, und dabei ging ihm mit einem Mal durch den Kopf, dass er Weibchen Schwanzlos’ Hilfe brauchte, um Groß Schwanzlos zu finden.
    Wolf hatte keine Ahnung, woher er diese Gewissheit nahm, aber wie es manchmal vorkam, war er sich auf einmal ganz sicher. Er musste unbedingt bei Weibchen Schwanzlos bleiben.
    Am Oben stieg das Heiße Helle Auge immer höher und Weibchen Schwanzlos machte sich endlich auf die Suche nach Groß Schwanzlos. Sie war der Leitwolf, und Wolf trabte hinter ihr her, was ihn einige Überwindung kostete, denn sie kam so langsam voran wie ein neugeborener Welpe.
    Nach einer Weile machten sie an einem kleinen Nass Halt, und das Weibchen teilte sich mit ihm einen Wacholderfisch, aber als ihr Wolf über die Schnauze leckte und um mehr bettelte, wehrte sie ihn bloß lachend ab.
    Er grübelte immer noch, wieso sie gelacht hatte, als sich der Wind auf einmal drehte und ihm ein unverwechselbarer Geruch in die Nase stieg.
    Er hielt inne, hob die Schnauze und sog in tiefen Zügen die Luft ein. Ja! Die schönste Witterung im ganzen Wald! Die Witterung von Groß Schwanzlos!
    Wolf machte kehrt und folgte dem Geruch bis zu einer Kiefer, an deren Stamm er die Spur von Groß Schwanzlos’ Vorderpfote erschnüffelte, allerdings schon ein paar Male Hell alt. Wieder hob er witternd die Schnauze.
    Dahinten! Sie mussten umkehren! Groß Schwanzlos lief gar nicht tiefer in den Wald hinein, sondern genau in die andere Richtung, dorthin, wo sich das Heiße Helle Auge schlafen legt!
    Weibchen Schwanzlos war zu weit weg, als dass Wolf sie sehen konnte, er hörte sie nur in die verkehrte Richtung durchs Unterholz stapfen.
    Falscher Weg! , bellte er. Kehr um! Kehr um!
    Er brannte darauf, seinem Rudelgefährten zu folgen, denn er spürte, dass ihnen Groß Schwanzlos viele Sprünge voraus war, aber Weibchen Schwanzlos schien mal wieder überhaupt nichts zu begreifen.
    Ungehalten knurrend lief Wolf sie holen.
    Sie machte große Augen.
    Er sprang sie an, warf sie um und stellte sich bellend mit den Vorderpfoten auf ihre Brust.
    Sie hatte Angst und bekam offenbar schlecht Luft.
    Dann eben nicht.
    Wolf machte schwungvoll auf der Hinterpfote kehrt und stürmte davon.

    Renn rappelte sich, nach Atem ringend, hoch und klopfte sich die Erde von den Kleidern.
    Jetzt da Wolf fort war, fühlte sie sich wieder ziemlich einsam, aber ihr Stolz verbot ihr, ihn mit der Pfeife zurückzurufen. Er hatte sie verlassen. Sein Pech.
    In gedrückter Stimmung marschierte sie weiter, bis sie an eine Weggabelung kam. Von Torak keine Spur. Nur Stecheichendickicht und tropfnasser Farn.
    Wolf war ganz aufgeregt gewesen und dann war er nach Westen gelaufen… Nach Westen? Nach Westen ging es zum Meer. Was wollte Torak denn da?
    Wie aus dem Boden gewachsen, stand Wolf wieder vor ihr.
    Nur mit Mühe unterdrückte sie einen Freudenschrei. Sie hatte schon so viel verkehrt gemacht, dass sie nicht den nächsten Patzer riskieren wollte.
    Sie hockte sich auf die Fersen und erklärte Wolf in sanftem Ton, wie froh sie war, dass er zurückgekommen war. Dabei hielt sie die Augen niedergeschlagen und streifte nur ab und zu flüchtig seinen Blick.
    Wolf kam schwanzwedelnd auf sie zu. Er stupste sie mit der Schnauze in die Wange, knabberte spielerisch an ihrem Ohr, was ein bisschen kitzelte, und schleckte ihr zum Schluss übers Gesicht.
    Sie kraulte ihn behutsam hinter den Ohren, und er leckte ihr die Hand, wobei er diesmal darauf verzichtete, an ihrem Fingerschutz zu nagen.
    Dann machte er kehrt und lief nach Westen.
    »Nach Westen?«, fragte Renn.

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