Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
war müde, aber zu unruhig, um zu schlafen, darum zog er sich aus und wusch sich mit Meerwasser. Er wurde zwar sauber, fühlte sich allerdings hinterher leicht klebrig. Er zog das Beinleder wieder an und legte Stiefel und Wams zum Auslüften auf die Felsen.
Ganz unten in seiner Trage stieß er auf die Hauer des Keilers.
Vielleicht hatte die Waldpferdfrau ja Recht. Vielleicht sollte er sich zur Erinnerung an seinen Freund, den er hatte töten müssen, aus den Hauern ein Amulett machen.
Er wusch die Zähne in einer wassergefüllten Felsmulde, kratzte mit einem Stock das Mark heraus und legte auch sie zum Trocknen auf die Steine.
Dann hängte er ein paar Angelhaken aus Brombeerdornen in einen algenbewachsenen Priel, von dem er hoffte, dass sich dort Fische zum Fressen einfanden. Als Köder benutzte er das aus den Hauern herausgekratzte Mark, aber er brauchte noch Senker, um die Leinen zu beschweren.
Zwar war das Ufer voller Kiesel, aber er hatte keine Lederschnüre mehr, um sie an den Angelleinen zu befestigen, und den glibberigen Tang in Streifen zu schneiden, widerstrebte ihm. Womöglich lebte im Wasser das Verborgene Volk und der Tang war sein Eigentum.
Ein paar gespleißte Kiefernwurzeln erfüllten diesen Zweck genauso gut, allerdings gab es die nur im Wald.
Kaum war er wieder von Bäumen umgeben, fühlte er sich viel geborgener und suchte unwillkürlich einen Vorwand, sich länger dort aufzuhalten. Vielleicht sollte er sich einen kleinen Vorrat an Wurzeln anlegen. Ein paar in Reserve zu haben, war immer gut. Dazu musste er tiefer in den Wald vordringen, denn man darf immer nur zwei Wurzeln von einem Baum schneiden.
Als er ans Meer zurückkam, stand die Sonne schon tief am Himmel. Auf den ersten Blick lagen seine Habseligkeiten genauso da, wie er sie zurückgelassen hatte.
Auf den ersten Blick.
Wer immer sein Gepäck durchstöbert hatte, hatte sich große Mühe gegeben, alles wieder an Ort und Stelle zu legen, aber Torak merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. Die gelben Blumen neben seiner Trage waren ein wenig zerdrückt, denn dort hatte er die Trage ursprünglich abgesetzt. Auch die Hauer des Keilers waren verschoben, denn man sah noch halbmondförmige feuchte Flecken, wo sie ursprünglich gelegen hatten.
Still und leise stahl sich Torak wieder in den Wald und duckte sich ins Unterholz, das seinetwegen gern noch höher hätte sein können.
Da wehten aus etwa dreißig Schritt Entfernung Stimmen herüber und zwei Jungen kamen hinter den Felsen hervor. Sie hielten den Blick auf den Boden gerichtet und suchten offenbar nach Spuren.
Beide waren größer als Torak und vermutlich einen Sommer älter. Sie waren tief gebräunt und hatten mehrere dieser weißen Schalen in ihr langes helles Haar geflochten. Über die Augen hatten sie mit Schlitzen versehene graue Lederstreifen gebunden, wodurch ihre Gesichter etwas Ausdrucksloses, Maskenhaftes bekamen.
Aber Torak brauchte ihre Augen gar nicht erst zu sehen, er spürte auch so, dass sie ihm übel wollten. Ihre Waffen sprachen eine deutliche Sprache: kurze, kräftige Harpunen mit geschnitzten Knochenspitzen und Messer aus blauem Feuerstein. Der Kleinere hatte außerdem eine Schleuder am Gürtel.
Beide waren barfuß, trugen knielange Beinleder aus geschmeidiger grauer Tierhaut und ihre Wämser ließen die über und über mit blauen Tätowierungen bedeckten Arme frei. Ihr Clanabzeichen war ein Stück glänzender grauer Pelz mit kleinen, dunklen Tupfen. Walhaut? Robbenfell?
Am merkwürdigsten war, dass Torak die Wämser und Tätowierungen überhaupt sehen konnte, denn darüber trugen sie langärmlige Kapuzenjacken aus einer gelblichen Haut, die so dünn war, dass man durchsehen konnte. Was für ein Tier hatte denn durchsichtige Haut?
»Weit kann er nicht sein«, sagte der Kleinere. In der klaren Abendluft klang seine Stimme bis zu Torak hinüber.
»Bestimmt hat er sich zwischen den Bäumen verkrochen«, erwiderte der Größere. »Wie diese … wie nennt man die noch mal? Pferde?«
Der andere kicherte. »Pferde kriechen aber nicht, Detlan.«
»Woher willst du das wissen, Asrif? Du hast doch auch noch keins gesehen.«
»Aber ich hab davon erzählen hören. Komm, wir gehen. Der kommt nicht wieder.«
»Ist auch besser für ihn«, brummte Detlan. »Kommt einfach her und verunreinigt das Meer mit seinen dreckigen Waldsachen…«
Mit angehaltenem Atem beobachtete Torak, wie die beiden die Felsen hinunterkletterten.
Unter einer Böschung zogen sie zwei lange,
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