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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Stein nach ihm. Er traf nicht und die Möwe stob davon, bespritzte aber beide Jungen mit flüssigem Kot. Stinkender weißlicher Schleim klebte in Toraks Haaren und rann ihm übers Gesicht, nur knapp am Auge vorbei. Er spuckte kräftig aus und unternahm noch einen Versuch.
    Dieses Mal gelang es ihm, Asrifs Schultergurt zu packen. Seine von Vogelkot glitschigen Finger rutschten immer wieder ab, als er versuchte, den Gurt von dem Felsvorsprung zu lösen. »Rutsch ein Stück zu mir rüber«, keuchte er, »damit er nicht mehr so straff gespannt ist.«
    Asrif gehorchte.
    Torak zerrte so heftig an Asrifs Gurt, dass er beinahe hintenüber gekippt wäre, aber schließlich kam der Gurt doch frei.
    Asrif kauerte immer noch auf allen vieren und sperrte vor Schreck den Mund auf. Er wandte den Kopf und begegnete Toraks Blick. »Danke«, nuschelte er.
    Torak nickte. »Die Wurzel … hast du die Wurzel schon?«
    Asrif schüttelte den Kopf.
    »Was?«
    »Ich komm nicht ran.« Der Robbenjunge wurde schamrot. »Ich habe die falschen Griffsteine benutzt. Sie führen nicht höher. Ich hätte lieber deinen Weg nehmen sollen.«
    Noch einmal spähte Torak nach oben und sah, dass weiter rechts ein tiefer Spalt im Zickzack den Felsen hinauf- und dicht an die untersten Äste des Adlerhorsts heranführte. Dort sprossen Büschel glänzender dunkelvioletter Blätter. Selikpflanzen.
    Torak erwog, erst noch einmal kehrtzumachen und seinen Gurt wieder anzulegen, aber das Seil war ohnehin zu Ende. Es musste auch so gehen.
    »Ich glaube, ich kann es schaffen«, sagte er fest, obwohl er insgeheim seine Zweifel hatte.

    Vor Anstrengung zitterte er an allen Gliedern, als er in dem Felsspalt höher kletterte. Ihm war heiß, er war erschöpft und vom Gestank des Vogeldrecks war ihm schlecht.
    Das Gestein unter seinem Fuß gab nach. Er zog sich gerade noch rechtzeitig hoch, als sich ein paar Felsbrocken lösten und in die Tiefe polterten, bis sie bedenklich dicht neben Detlan und Bale aufkamen und zerbarsten.
    Ihm fiel ein, dass er den beiden vielleicht eine Warnung hätte zurufen sollen, aber das hatte sich nun erübrigt. Außerdem würden laute Rufe bloß den Felsen erzürnen, der wegen der beiden Eindringlinge zunehmend verärgert schien.
    Er kletterte weiter.
    »Pass auf!«, hörte er Asrif unter sich raunen.
    Ein drohendes »Kleck, Kleck« ertönte, etwas Dunkles kam auf Torak zugeschossen, und als er sich umdrehte, sah er einen Adler auf sich zufliegen, die mörderischen Klauen nach seinem Gesicht gereckt. Da er zum Klettern beide Hände brauchte, konnte er nicht einmal seinen Kopf schützen, sondern sich nur flach an die Felswand drücken. Er erhaschte einen flüchtigen Blick auf grimmig blickende goldfarbene Augen und eine spitze schwarze Zunge, hörte Schwingen, breiter als ein Hautboot, rauschen …
    Ein Stein traf den Adler vor die Brust und er drehte kreischend ab.
    Torak spähte zu Asrif hinunter, der den nächsten Stein in seine Schleuder legte.
    Wohin der Adler geflogen war, konnte er nicht erkennen. Vielleicht hatte ihn Asrif ja verscheucht, wahrscheinlicher war, dass er weiter oben kreiste und bald zum nächsten Angriff überging.
    Der Felsspalt wurde breiter und tiefer und es kletterte sich besser. Als Torak am Ende angekommen war, stellte er erfreut fest, dass er sich auf das rechte Knie stützen und, Brust und Bauch an den sonnenheißen Stein gedrückt, mit der linken Hand sein Messer ziehen konnte.
    Der Himmel verdunkelte sich. Wieder hörte man Flügelschlagen und abgehackte Warnrufe, aber diesmal gleich von zwei Adlern, Mutter und Vater, die ihre Jungen beschützen wollten.
    »Ich will euren Jungen nichts tun!«, rief Torak und vergaß ganz, die Stimme zu dämpfen.
    Dass die Adler nicht auf ihn hörten, wunderte ihn nicht. Er tastete sich an die Selikpflanzen heran, stocherte mit dem Messer nach den Wurzeln und rechnete jeden Augenblick damit, angegriffen und in die Tiefe gerissen zu werden.
    Einige gut gezielte Treffer Asrifs verscheuchten die Adler fürs Erste, doch sie gaben keineswegs auf. Der ganze Felsen hallte von ihrem Gezeter wider.
    »Mach schon!« , brüllte Asrif.
    Torak würdigte ihn keiner Antwort.
    Die Pflanzen hatten in dem durch die Sonne fest verbackenen Belag aus vermodertem Holz und Adlerkot Wurzeln geschlagen und wollten nicht nachgeben. Der Schweiß lief Torak in Strömen herunter, als er mit Fas blauem Schiefermesser auf die Wurzelstöcke einhackte. Die Ränder der Felsspalte waren mürbe und ab und zu

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