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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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schneller. Dabei rief er wieder: »Geht an Land! Der Jäger kommt! Der Jäger kommt! «
    Diesmal hatte ihn Bale gehört, aber statt sein Boot zu wenden, schüttelte er verwirrt den Kopf und paddelte nur noch eifriger auf Torak los. Bestürzt sah Torak, dass das Meer trügerisch glatt dalag und weit und breit keine schwarze Finne zu entdecken war. Bale nahm seine Warnrufe nicht ernst, weil er den Jäger nicht kommen sah .
    »Kehr um!«, schrie Torak verzweifelt. »Der Jäger kommt!«
    Da begriff Bale endlich, was los war. Mit ein paar Paddelschlägen wendete er sein Boot und rief Detlan zu: »Wenden! Wenden!«
    Die Wellen warfen Torak gegen die Felsenklaue. Er hielt sich am Tang fest und kletterte an Land – gerade noch rechtzeitig, denn jetzt ertönte ein donnerndes »Kwuusch!« und eine Gischtfontäne spritzte auf.
    Torak lag bäuchlings auf den Felsen und sah einen massigen schwarzen Rücken aus dem Wasser ragen – und eine gewaltige, verstümmelte Finne. Sie war so nah, dass Torak erkennen konnte, wie sie das Wasser teilte, und als sich nun der riesige, stumpfnasige Kopf aus den Wellen hob, begegnete er dem rätselhaften dunklen Blick des Jägers. Dann machte das riesige Tier kehrt und schwamm zielstrebig auf die Boote zu.
    Die beiden Robbenjungen hatten Toraks Rat zu spät beherzigt. Bale war schon fast wieder bei den Felsen angelangt, wo ihm Asrif unter anfeuernden Rufen die Hand hinstreckte, aber Detlan war zurückgeblieben, und Kerbfinne hatte ihn gleich eingeholt.
    Torak rappelte sich hoch und rannte los, sprang mit einem Satz über die Boote, rutschte auf den Algen aus. Doch der Jäger war ihm an Schnelligkeit weit überlegen, und Torak musste untätig mit ansehen, wie er dicht vor Detlan umdrehte und mit dem mächtigen Schwanz nach dem Boot schlug, sodass es in hohem Bogen durch die Luft flog.
    Detlan landete mit einem Aufschrei auf den Felsen, rutschte aber wieder ins Wasser zurück. Asrif und Bale liefen zu ihm, da kam auch schon die schwarze Finne angeschossen, machte aber im letzten Augenblick kehrt und tauchte unter.
    Asrif und Bale zogen den reglosen Detlan aus dem Wasser und legten ihn auf den Rücken.
    Der atemlose und erschütterte Torak suchte das Meer ab, konnte aber außer ein paar Gischtflocken nichts entdecken.
    Dann sah er am Horizont eine schwarze Finne dem offenen Meer zustreben. Was – oder wen? – Kerbfinne auch gesucht hatte, hier bei ihnen war er nicht fündig geworden. Torak wandte sich ab und lief zu den anderen.
    Asrif kniete neben Detlan und zog mit den Zähnen den Stopfen aus einem Wassersack, Bale leerte seinen Medizinbeutel aus. Detlan lag mit geschlossenen Augen da. Sein Gesicht war aschfahl, und er hatte ganz blaue Lippen, aber als Torak näher trat, sah er ihn atmen, und ihm fiel ein Stein vom Herzen.
    Bale blickte auf. »Alles in Ordnung mit dir?«
    Torak nickte und wandte sich an Asrif: »Hast du die Wurzel noch?«
    Asrif klopfte wortlos auf sein Wams.
    Detlans Boot und sein Bein waren zertrümmert. Aus der blutigen Wunde ragte der blanke Knochen.
    »Wieso ich?«, keuchte Detlan. »Was wollte er von mir?«
    Bale legte dem Freund die Hand auf die Schulter. »Ich glaube nicht, dass er es auf dich abgesehen hatte, sonst wärst du jetzt tot.«
    »Trotzdem hatten die Kormorane Recht«, sagte Asrif leise und setzte Detlan den Wassersack an den Mund. »Er sucht jemanden.«
    »Aber wen bloß?«, überlegte Bale.
    Er drehte sich nach Torak um und stellte ihm jene Frage, die sich Torak längst selbst gestellt hatte: »Bei unserer Meermutter – woher hast du gewusst, dass er kommt?«

Kapitel 28

    TORAK SAH BLASS AUS, als er neben dem verletzten Jungen kniete, fand Renn.
    Sie duckte sich etwa dreißig Schritt entfernt hinter die Felsen und machte sich bemerkbar, indem sie ein Rotschwänzchen nachahmte. Ein Rotschwänzchen darum, weil diese Vögel nur im Wald vorkamen, sodass Torak eigentlich stutzig werden musste.
    Er reagierte nicht. Renn war verdutzt. So unaufmerksam zu sein, sah Torak gar nicht ähnlich – da musste schon einiges geschehen sein.
    Es war eine heiße, schwüle Nacht und unheimlich windstill wie vor einem Sturm. Bis Renn sich zwischen Felsen und Bäumen zum Ufer durchgeschlagen hatte, war sie durchgeschwitzt. Sie war gerade noch rechtzeitig gekommen, um den Angriff des Jägers mitzuerleben.
    Im Gegensatz zu ihr schienen weder Torak noch die Robbenjungen zu wissen, weshalb sie der Jäger eigentlich attackiert hatte. Renn hatte immer noch den Aasgestank in der

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