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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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den Bogen über die Schulter. Der junge Mann dagegen behielt seine Waffen in der Hand. Seine funkelnden Augen verrieten, dass ihm die Situation Vergnügen bereitete. Er würde ohne Zögern schießen. Torak hustete, rieb sich den Hals und griff dabei unauffällig nach seinem Messer.
    »Das nehme ich«, sagte Oslak. Er hielt Torak immer noch gepackt, nahm ihm mit der anderen Hand die Waffen ab und warf sie dem Mädchen zu.
    Sie betrachtete Fas Messer neugierig. »Hast du das auch gestohlen?«
    »Nein! Es … es hat meinem Vater gehört.«
    Ganz offensichtlich glaubten sie ihm nicht.
    Er sah das Mädchen an. »Du hast behauptet, ich hätte euren Rehbock gestohlen. Wieso war es eurer?«
    »Dieser Teil des Waldes gehört uns«, erwiderte der junge Mann.
    Torak war verwirrt. »Wie meinst du das? Der Wald gehört doch niemandem …«
    »Jetzt schon«, unterbrach ihn der junge Mann barsch. »Das wurde beim Sippentreffen beschlossen. Weil nämlich…« Er unterbrach sich und machte ein finsteres Gesicht. »Darum geht es hier nicht. Du hast unseren Bock gestohlen. Darauf steht der Tod.«
    Torak brach der Schweiß aus. Der Tod? Wieso wurde man mit dem Tode bestraft, wenn man einen Rehbock erlegte?
    Sein Mund war so trocken, dass er kaum sprechen konnte. »Wenn… wenn es euch um den Bock geht, dann behaltet ihn meinetwegen und lasst mich gehen. Das Fleisch ist in meiner Trage. Ich habe kaum etwas davon gegessen.«
    Oslak und das Mädchen wechselten einen Blick, doch der junge Mann schüttelte verächtlich den Kopf. »So einfach geht das nicht. Du bist mein Gefangener. Fessle ihm die Hände, Oslak. Wir führen ihn Fin-Kedinn vor.«
    »Wer ist das?«, fragte Torak.
    »Du weißt wohl überhaupt nichts«, sagte das Mädchen naserümpfend.
    »Fin-Kedinn ist mein Onkel«, erklärte der junge Mann und warf sich in die Brust. »Der Anführer unserer Sippe. Ich bin Hord, sein Brudersohn.«
    »Was für eine Sippe denn? Wo bringt ihr mich hin?«
    Er bekam keine Antwort.
    Oslak versetzte ihm einen Stoß, dass er auf die Knie fiel. Als er sich wieder aufrappelte, warf er einen Blick über die Schulter und sah zu seiner Bestürzung, dass Wolf umgekehrt war, um nach ihm zu sehen. Der Welpe stand zögernd etwa zwanzig Schritt entfernt und sog den Geruch der Fremden ein.
    Die drei hatten ihn noch nicht entdeckt. Was würden sie tun? Vermutlich hielten auch sie sich an das alte Gesetz, das es verbot, einen anderen Jäger zu töten. Aber sie konnten Wolf davonjagen. Torak malte sich aus, wie der Kleine hungrig und heulend durch den Wald irrte.
    Um ihn zu warnen, stieß er ein kurzes, nachdrückliches »Wuff!« aus. Gefahr!
    Der verdatterte Oslak wäre fast über ihn gestolpert. »Was hast du gesagt?«
    »Wuff«, wiederholte Torak. Ärgerlicherweise lief Wolf keineswegs davon, sondern legte die Ohren an und rannte auf Torak zu.
    »Was soll das denn?«, brummelte Oslak mürrisch und packte den Welpen am Nackenfell.
    Wolf zappelte knurrend im Griff der großen roten Hand.
    »Lass ihn los!«, rief Torak und versuchte, sich zu befreien. »Lass ihn los oder ich bring dich um!«
    Oslak und das Mädchen brachen in schallendes Gelächter aus.
    » Lass ihn los! Er hat dir nichts getan!«
    »Scheuch ihn weg und dann lass uns gehen«, meinte Hord gereizt.
    »Nein!«, schrie Torak. »Er muss mir den Weg zeigen.«
    Das Mädchen warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. »Was muss er?«
    »Er begleitet mich«, nuschelte Torak, der spürte, dass er vor den Fremden weder den Berg erwähnen noch sich mit Wolf verständigen durfte.
    »Komm schon, Renn«, fauchte Hord. »Wir verschwenden unsere Zeit.«
    Aber Renn musterte Torak immer noch misstrauisch. Sie drehte sich nach Oslak um. »Gib ihn mir.« Sie holte einen Ledersack aus ihrer Rückentrage, steckte den Welpen hinein und band den Sack fest zu. Dann schulterte sie die strampelnde, jaulende Last und wandte sich an Torak: »Wenn du unterwegs Ärger machst, schlag ich dein Wolfsjunges an den nächsten Baum und brech ihm sämtliche Knochen.«
    Torak sah sie an. Wahrscheinlich war es bloß eine leere Drohung, aber sie bändigte ihn damit zuverlässiger, als es ihre beiden männlichen Begleiter vermochten.
    Oslak versetzte ihm wieder einen Stoß und sie schlugen einen Wildwechsel nach Nordwesten ein.
    Die Lederriemen schnürten Toraks Handgelenke schmerzhaft ein. Sollen sie doch, dachte er. Er war furchtbar wütend auf sich selbst. Schau hinter dich , hatte sein Vater gesagt. Er hatte sich nicht daran gehalten und

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