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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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länger halten würden als die Kleidungsstücke, die er damit zusammennähte.
    Zu guter Letzt schabte er noch das Gehörn und die Knochen blank und band sie zusammen, um daraus später Angelhaken, Nadeln und Pfeilspitzen zu schnitzen.
    Am Abend des zweiten Tages war alles erledigt. Nach einem üppigen Fleischmahl saß Torak am Feuer und schnitzte sich aus einem Hühnerknochen eine Pfeife. Er wollte den Welpen zurückrufen können, wenn dieser die Gegend erkunden ging, ohne jedes Mal laut heulen zu müssen. Vielleicht waren die fremden Jäger noch in der Nähe, und er wollte nicht riskieren, sie auf sich aufmerksam zu machen.
    Er blies probehalber hinein und war enttäuscht, als kein Ton kam. Fa hatte unzählige Pfeifen wie diese hier geschnitzt und alle hatten ein durchdringendes, vogelartiges Zwitschern von sich gegeben. Wieso funktionierte seine nicht?
    Verärgert blies Torak, so kräftig er konnte. Er hörte immer noch nichts, doch zu seiner Überraschung sprang Wolf auf, wie von einer Hornisse gestochen.
    Torak sah erst den Welpen an, dann wieder die Pfeife und blies noch einmal hinein.
    Wieder hörte er nichts. Diesmal stieß Wolf ein kurzes Knurren aus, dann winselte er, um kundzutun, dass ihn das Pfeifen störte, dass er sein Missfallen aber nicht zu deutlich äußern wollte, um Torak nicht zu kränken.
    Torak kraulte ihm entschuldigend den Hals und der Welpe ließ sich auf den Boden plumpsen. Seine Miene besagte unmissverständlich, dass Torak gefälligst nur pfeifen sollte, wenn er damit etwas bezweckte.

    Der folgende Morgen war schön und sonnig, und als sie aufbrachen, besserte sich Toraks Laune zusehends.
    Seit der Bär Fa getötet hatte, waren zwölf Tage vergangen. In der Zwischenzeit hatte Torak Hunger und Fieber besiegt, war Wolf begegnet und hatte sein erstes großes Wild erlegt. Außerdem hatte er eine Menge falsch gemacht, aber er war immerhin noch am Leben.
    Er stellte sich seinen Vater unterwegs ins Land der Toten vor, ein Land, in dem es Pfeile im Überfluss gab und kein Pfeil je sein Ziel verfehlte.
    Wenigstens hat er seine Waffen dabei, dachte er, und mein Messer leistet ihm auch Gesellschaft. Außerdem konnte er das ganze Räucherfleisch mitnehmen. Diese Vorstellung tröstete Torak ein bisschen.
    Er wusste, dass er nie völlig über den Verlust seines Vaters hinwegkommen würde. Solange er lebte, würde ihm der Kummer wie ein schwerer Stein auf der Brust lasten. Aber an diesem Morgen drückte ihn der Stein nicht ganz so schwer wie sonst. Bis jetzt hatte er sich wacker geschlagen und sein Vater war gewiss stolz auf ihn.
    Als er sich auf dem mit Sonnenlicht gesprenkelten Pfad durchs Unterholz zwängte, war er beinahe zufrieden. Über seinem Kopf zankte sich ein Drosselpärchen. Der satte, zufriedene Welpe hielt sich dicht neben ihm und reckte den buschigen silbergrauen Schwanz in die Höhe.
    Satt, zufrieden und leichtsinnig.
    Torak hörte gerade noch einen Zweig knacken, da packte ihn schon eine große Hand am Wams und riss ihn hoch.

Kapitel 7

    DREI JÄGER. Drei tödliche Steinwaffen. Alle auf ihn gerichtet.
    Toraks Gedanken überschlugen sich. Er konnte sich nicht bewegen. Konnte Wolf nicht sehen.
    Der Mann, der ihn gepackt hielt, war ein Hüne. Sein wirrer rostbrauner Bart glich einem Vogelnest, eine Wange war von einer hässlichen Narbe verunstaltet, und was immer ihn dort gebissen haben mochte, es hatte ihm auch ein Ohr abgerissen. In der freien Hand hielt er ein Messer, dessen spitze Steinklinge er Torak unters Kinn drückte.
    Neben ihm standen ein hoch gewachsener junger Mann und ein Mädchen, das ungefähr in Toraks Alter war. Beide hatten braunrotes Haar, ebenmäßige, mitleidlose Gesichter und beide zielten mit Feuersteinpfeilen auf Toraks Herz.
    Torak schluckte mühsam. Hoffentlich sah man ihm nicht an, was er für Angst hatte. »Lass mich los«, keuchte er, holte mit der Faust nach dem großen Mann aus, verfehlte ihn jedoch.
    »Da haben wir ja den Dieb!«, brummte der Mann und hob Torak noch höher, sodass ihm das Wams die Luft abschnürte.
    »Ich bin kein Dieb«, ächzte Torak und griff sich an die Kehle.
    »Er lügt«, sagte der jüngere Mann kalt.
    »Du hast unseren Rehbock gestohlen«, sagte das Mädchen. Dann wandte es sich an den großen Mann: »Du erwürgst ihn ja, Oslak.«
    Oslak stellte Torak wieder auf die Füße, ließ ihn aber nicht los und hielt ihm weiterhin das Messer an den Hals.
    Bedächtig steckte das Mädchen seinen Pfeil in den Köcher zurück und hängte sich

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