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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Seil aus Rindenfasern wieder zum Vorschein. Das eine Ende knotete sie um den Sack, in dem Wolf steckte, das andere warf sie über den Ast einer Eiche und zog den Sack so hoch, dass die Hunde nicht herankamen.
    Und ich auch nicht, dachte Torak. Jetzt konnte er nicht mehr weglaufen, selbst dann nicht, wenn sich eine Gelegenheit bot. Nicht ohne Wolf.
    Renn fing seinen Blick auf und grinste schadenfroh.
    Torak machte ein finsteres Gesicht, aber insgeheim war ihm flau vor Angst.
    Hord hatte seinen Bericht beendet. Der Mann am Feuer nickte knapp, gab Oslak ein Zeichen und Oslak versetzte Torak wieder einen Stoß. Der Mann hatte leuchtend blaue Augen, die das einzig Lebendige in seinem unbewegten Gesicht waren. Es fiel Torak schwer, ihrem eindringlichen Blick lange standzuhalten, und noch schwerer, wegzusehen.
    »Wie heißt du?«, fragte der Mann mit so ruhiger Stimme, dass Torak ganz verzagt wurde.
    Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Torak. Und wer bist du?«, fragte er zurück, obwohl er die Antwort schon zu wissen glaubte.
    Anstelle des Mannes antwortete Hord: »Du sprichst mit Fin-Kedinn, dem Anführer des Rabenclans. Und du jämmerlicher Knilch solltest gefälligst mehr Achtung …«
    Fin-Kedinn schnitt ihm mit einem strengen Blick das Wort ab, dann wandte er sich an Torak. »Zu welcher Sippe gehörst du?«
    Torak reckte trotzig das Kinn. »Zum Wolfsclan.«
    »Na so was«, spottete Renn und ein paar Zuschauer lachten.
    Fin-Kedinn lachte nicht. Seine blauen Augen waren unverwandt auf Torak geheftet. »Was hast du in diesem Teil des Waldes zu suchen?«
    »Ich will nach Norden«, erwiderte Torak.
    »Ich hab ihm gesagt, dass dieses Gebiet uns gehört«, warf Hord rasch ein.
    »Das konnte ich nicht wissen«, verteidigte sich Torak. »Ich war nicht beim Sippentreffen.«
    »Warum nicht?«, fragte Fin-Kedinn.
    Torak schwieg.
    Der Anführer des Rabenclans blickte ihn wieder durchdringend an. »Wo sind deine Leute?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Torak wahrheitsgemäß. »Ich habe nicht bei ihnen gelebt. Ich … ich habe bei meinem Vater gelebt.«
    »Und wo ist dein Vater?«
    »Er ist tot. Ein … Bär hat ihn getötet.«
    Ein Raunen ging durch die Zuschauer. Einige drehten sich ängstlich um, andere berührten ihr Clanabzeichen oder machten das Zeichen gegen das Böse. Die Alte legte die Pfeile weg und kam zu ihnen herüber.
    Fin-Kedinns Gesicht blieb unbewegt. »Wer war dein Vater?«
    Torak schluckte. Er wusste (und Fin-Kedinn wusste es zweifellos genauso gut), dass es verboten war, den Namen eines Verstorbenen vor Ablauf von fünf Sommern nach dessen Tod auszusprechen. Einen Verstorbenen kann man nur benennen, indem man seine Eltern nennt. Fa hatte nur sehr selten über seine Familie gesprochen, aber Torak wusste, wie seine Großeltern hießen und woher sie kamen. Fas Mutter hatte dem Robbenclan angehört, sein Vater dem Wolfsclan. Torak nannte ihre Namen.
    Jedem fällt es schwer, sich nichts anmerken zu lassen, wenn er überraschend etwas Bekanntes hört. Auch Fin-Kedinn gelang es nicht ganz.
    Er muss Fa gekannt haben, dachte Torak bestürzt. Aber woher? Fa hatte weder den Rabenclan noch dessen Anführer je erwähnt. Was hatte das zu bedeuten?
    Er sah zu, wie sich Fin-Kedinn nachdenklich mit dem Daumen über die Unterlippe strich. Aber es war unmöglich, zu sagen, ob Toraks Vater nun sein bester Freund oder sein Todfeind gewesen war.
    Schließlich ergriff der Anführer wieder das Wort. »Teilt die Habe des Jungen unter euch auf«, befahl er. »Dann bringt ihn ein Stück flussabwärts und tötet ihn.«

Kapitel 9

    TORAKS KNIE gaben nach.
    »W-was?«, keuchte er. »Ich wusste ja nicht mal, dass es euer Bock war! Wie kann ich mich dann schuldig gemacht haben?«
    »So verlangt es das Gesetz«, entgegnete Fin-Kedinn.
    »Warum? Warum? Weil du es bestimmst?«
    »Weil es die Sippen so bestimmt haben.«
    Oslak legte eine schwere Hand auf Toraks Schulter.
    »Nein!«, rief Torak. »Hör zu… du sagst, so verlangt es das Gesetz, aber es gibt noch ein anderes Gesetz, oder?« Er holte Luft. »Nämlich dass der Zweikampf entscheidet. Lass … lass uns kämpfen.« Er war sich nicht ganz sicher, ob das auch stimmte, denn als ihn Fa die Sippengesetze lehrte, hatte er dieses Verfahren nur beiläufig erwähnt, aber Fin-Kedinns Augen wurden schmal.
    »So ist es doch, nicht wahr?«, beharrte Torak und zwang sich, den Blick des Anführers zu erwidern. »Ihr wisst nicht, ob ich tatsächlich schuldig bin, denn ihr

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