Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
geholt. Ich weiß gar nicht, wie … ich finde das sehr tapfer von dir.«
    Sie sagte nichts.
    »Renn?«, setzte er noch einmal an.
    » Was ist denn? «
    »Ich musste noch einmal tauchen. Ich musste es tun.«
    »Warum?«
    Linkisch streckte er die Hand mit der Nanuak aus und öffnete sie.
    Im selben Augenblick schien das Feuer zusammenzufallen. Schatten hüpften über die Höhlenwände. Die Luft schien zu knistern wie nach einem Blitzschlag.
    Wolf hörte auf herumzuschnüffeln und stieß ein warnendes Knurren aus. Renn saß ganz still.
    Die Flussaugen lagen in einem Nest aus grünem Schlamm auf Toraks Hand und schimmerten so schwach wie der Mond in einer nebligen Nacht.
    Als er sie betrachtete, verspürte Torak einen Nachhall der Übelkeit, die ihn auf dem Grund des Flusses befallen hatte. »Das ist es doch, nicht wahr?«, fragte er. »Ertrunkene Augen im tiefsten Grund  – der erste Bestandteil der Nanuak.«
    Alle Farbe war aus Renns Gesicht gewichen. »Beweg … dich … nicht.« Sie kroch aus der Höhle und kam kurz darauf mit einem Büschel leuchtend roter Ebereschenblätter zurück.
    »Zum Glück ist deine Hand schlammverschmiert«, sagte sie. »Sie dürfen deine Haut nicht berühren. Sonst könnten sie dir deinen eigenen Anteil an der Weltseele entziehen.«
    »War es das, was mit mir passiert ist?«, fragte er leise. »Im Fluss ist mir … schwindlig geworden.« Er erzählte ihr vom Verborgenen Volk.
    Sie starrte ihn entsetzt an. » Wie konntest du es wagen? Wenn sie dich erwischt hätten …« Sie machte das Zeichen, mit dem man das Böse abwendete. »Ich fasse es nicht, dass du geschlafen und sie dabei die ganze Zeit in der Hand gehalten hast. Jetzt aber schnell!«
    Sie zog einen kleinen schwarzen Beutel aus ihrem Wams und stopfte die Ebereschenblätter hinein. »Die müssten uns eigentlich schützen, und der Beutel auch, er ist aus Rabenleder.« Dann nahm sie Toraks Handgelenk, drehte seine Hand um, ließ die Flussaugen in den Beutel gleiten und band ihn fest zu.
    Kaum war die Nanuak sicher verstaut, flammte das Feuer wieder auf, die Schatten schrumpften und das Knistern in der Luft ließ nach.
    Torak kam es vor, als wäre ihm eine Last von den Schultern genommen. Er beobachtete, wie Wolf angetrottet kam und sich mit der Schnauze zwischen den Pfoten neben Renn legte, den Beutel in ihrem Schoß ansah und leise winselte.
    »Meinst du, er riecht etwas?«, fragte sie.
    »Vielleicht hört er sie sogar«, meinte Torak, »aber das können wir nicht wissen.«
    Renn erschauderte. »Solange er der Einzige ist…«

Kapitel 17

    ALS TORAK AUFWACHTE, fühlte er sich steif und zerschunden, aber er konnte Arme und Beine wieder bewegen, und da er sich allem Anschein nach nichts gebrochen hatte, kam er zu dem Schluss, dass es ihm besser ging.
    Renn kniete am Höhleneingang und hielt Wolf mit konzentrierter Miene eine Hand voll Krähenbeeren hin. Wolf schob sich misstrauisch näher – und wich wieder zurück. Schließlich befand er, dass er ihr trauen durfte, und beschnüffelte die Beeren. Renn lachte, als seine Barthaare sie in der Handfläche kitzelten.
    Als sie merkte, dass Torak sie beobachtete, hörte sie zu lachen auf, weil es ihr peinlich war, dass er sie ertappte, wie sie sich mit dem Welpen anfreundete. »Wie geht’s?«, fragte sie.
    »Besser.«
    »Sieht nicht so aus. Du musst dich mindestens noch einen Tag ausruhen.« Sie stand auf. »Ich geh jagen. Unsere Vorräte heben wir uns lieber für den Notfall auf.«
    Torak richtete sich ächzend auf. »Ich komme mit.«
    »Nein, du musst dich ausruhen.«
    »Aber meine Kleider sind trocken und ich muss mich bewegen.« Er verriet ihr nicht den wahren Grund, nämlich dass er Höhlen nicht leiden konnte. Er und Fa hatten hin und wieder in einer Höhle Unterschlupf gefunden, aber meistens hatte Torak dann doch draußen geschlafen. Es kam ihm grundverkehrt vor, zwischen festen Wänden zu schlafen, abgeschnitten von Wind und Wald. Dann fühlte er sich immer, als hätte ihn etwas verschlungen. Renn seufzte. »Versprich mir, dass du zurückgehst und dich hinlegst, sobald wir etwas erlegt haben.«
    Torak versprach es ihr.
    Das Anziehen war schmerzhafter, als er erwartet hatte, und als er damit fertig war, standen ihm Tränen in den Augen. Zu seiner Erleichterung fiel es Renn, die Vorbereitungen für die Jagd traf, nicht auf. Sie fuhr sich mit einem Eschenholzkamm, der wie eine Rabenklaue geschnitzt war, durchs Haar, band es dann zu einem Pferdeschwanz zusammen und steckte

Weitere Kostenlose Bücher