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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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gerösteten Löwenzahnwurzeln auf. Danach gab es noch einen herrlichen Brei, den Renn aus späten Preiselbeeren und Haselnüssen zubereitet hatte, und zum Abschluss ein paar Bucheckern, die sie über dem Feuer platzen ließen und dann die kleinen, schmackhaften Kerne herauspulten.
    Torak war so satt, dass er sich nicht vorstellen konnte, je wieder etwas essen zu müssen. Er ließ sich am Feuer nieder, um den Riss in seinem Beinleder zu flicken, wo ihn das Verborgene Volk gepackt hatte. Renn saß etwas abseits und trimmte die Federn ihrer Pfeile. Wolf lag zwischen ihnen und leckte sich die Pfoten sauber, nachdem er das Stück Huhn, das ihm Torak aufgehoben hatte, gierig verputzt hatte.
    Eine Zeit lang herrschte eine gesellige Stille, die Torak mit Zufriedenheit, ja fast mit Zuversicht erfüllte. Schließlich hatte er den ersten Bestandteil der Nanuak gefunden. Das war doch schon mal ein Erfolg!
    Plötzlich sprang Wolf auf und lief aus dem Lichtkreis. Als er kurz darauf zurückkehrte, umkreiste er das Feuer und gab leise, beinahe winselnde Knurrlaute von sich.
    »Was hast du?«, flüsterte Renn.
    Torak war schon auf den Beinen und beobachtete den Welpen. Er schüttelte den Kopf. »Ich verstehe ihn nicht richtig. ›Tot-Geruch. Schon alt. Rührt sich.‹ So in etwa.«
    Sie spähten in die Dunkelheit.
    »Wir hätten kein Feuer machen sollen«, sagte Renn.
    »Zu spät«, meinte Torak bloß.
    Wolf hörte auf zu winseln, hob die Schnauze und schaute zum Himmel.
    Auch Torak sah hoch – und der letzte Rest seiner guten Stimmung verflüchtigte sich.
    Im Osten, über den fernen schwarzen Umrissen der Hohen Berge, blickte das funkelnde Auge des Großen Auerochsen auf sie herab. Man konnte es unmöglich übersehen: ein unheilvolles Blutrot, das vor Bosheit pulsierte. Torak konnte den Blick nicht abwenden. Er spürte die Macht, die dem Bären Kraft sandte und seinen eigenen Mut und seine Entschlossenheit schwächte.
    »Was können wir schon gegen den Bären ausrichten?«, sagte er verzagt. »Ich meine … mal ehrlich, was bloß?«
    »Keine Ahnung«, erwiderte Renn.
    »Wie sollen wir die beiden anderen Bestandteile der Nanuak finden? Es beißt uralter steinerner Mund – Dunkelstes Licht ist der kälteste Fund . Was soll das überhaupt bedeuten?«
    Renn antwortete nicht.
    Schließlich riss sich Torak los und hockte sich wieder ans Feuer. Sogar aus der Glut schien ihn das rote Auge anzufunkeln.
    »Schau, Torak«, sagte Renn hinter ihm, »da ist der Erste Baum!«
    Er hob wieder den Kopf.
    Das Auge war erloschen. Stattdessen zog ein schweigender, sich unablässig wandelnder grüner Schimmer über den Himmel. Eben noch drehte sich ein breiter Lichtstreif in lautlosem Wind… schon hatte er sich wieder aufgelöst und schimmernde blassgrüne Wellen wogten über die Sterne. Der Erste Baum bedeckte den Himmel, so weit das Auge reichte, und goss sein zauberisches Feuer über den Wald.
    Dieser Anblick entzündete in Torak wieder einen kleinen Hoffnungsfunken. Schon immer hatte er in frostigen Nächten den Ersten Baum mit Staunen und Ehrfurcht betrachtet, während Fa ihm die Geschichte vom Ursprung erzählt hatte. Der Erste Baum verhieß Jagdglück. Vielleicht brachte er ja auch ihm Glück bei seinem Vorhaben.
    »Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen«, sagte Renn, als ahnte sie, was er dachte. »Ich habe mich schon gefragt, ob es wirklich reiner Zufall war, dass du die Nanuak gefunden hast. Ich meine, warum bist du ausgerechnet dort in den Fluss gefallen, wo die Augen lagen? Ich glaube nicht an einen Zufall. Ich glaube … du solltest sie finden.«
    Torak sah sie fragend an.
    »Aber selbst wenn dir die Nanuak tatsächlich in den Weg gelegt wurde«, sagte sie bedächtig, »war es immer noch deine Entscheidung, was du tust. Als du sie auf dem Flussgrund hast liegen sehen, hättest du ebenso gut beschließen können, dass es viel zu gefährlich ist, sie heraufzuholen, aber du hast dein Leben dafür aufs Spiel gesetzt. Vielleicht…. gehörte das ja auch zu deiner Aufgabe.«
    Das war ein tröstlicher Gedanke, bei dem sich Torak sofort ein wenig besser fühlte. Dann schlief er über der Betrachtung der schweigenden grünen Äste des Ersten Baumes ein, während Wolf davontrabte und seiner eigenen geheimnisvollen Wege ging.

    Wolf trottete zur Anhöhe oberhalb des Tals, um den Geruch, den der Wind mit sich führte, besser aufzunehmen. Es war ein strenger Geruch nach Ohn-Hauch, wie eine schon vor längerer Zeit gerissene Beute … nur mit dem

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