Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)
eine Eulenfeder für das Jagdglück hinein. Anschließend schmierte sie sich mit Asche ein, um ihren Geruch zu überdecken, und ölte ihren Bogen mit zerstoßenen Haselnüssen, wobei sie vor sich hin sang: »Möge der Clanhüter mit mir fliegen und mir eine gute Jagd bescheren.«
Torak war erstaunt. »Wir bereiten uns genauso auf die Jagd vor, nur dass wir sagen: ›Möge der Clanhüter mit mir laufen .‹ Und wir ölen unsere Bögen nicht jedes Mal ein.«
»Das ist nur so eine Angewohnheit von mir.« Renn hielt den Bogen stolz hoch, sodass das geölte Holz glänzte. »Fin-Kedinn hat ihn für mich gemacht, als ich sieben war, kurz nach Fas Tod. Er ist aus Eibenholz, das vier Sommer getrocknet wurde. Das Splintholz am Rücken, wegen der Biegsamkeit, am Bauch das Kernholz, das gibt dem Bogen Kraft. Den Köcher hat er auch angefertigt. Er hat die Weiden selbst geflochten und ich durfte mir das Muster aussuchen – ein Zickzackband aus roter und weißer Weide.«
Sie hielt inne und ihr Gesicht verdüsterte sich. »Mutter habe ich nie gekannt, Fa war alles für mich. Als er getötet wurde, habe ich schrecklich geweint. Dann ist Fin-Kedinn gekommen und ich habe mit den Fäusten auf ihn eingeschlagen. Er hat sich nicht von der Stelle gerührt. Ist einfach wie eine Eiche stehen geblieben und hat sich von mir schlagen lassen. Dann sagte er: ›Er war mein Bruder. Ich kümmere mich um dich‹, und ich wusste, dass er zu seinem Wort stehen würde.« Sie verzog das Gesicht und kniff die Lippen zusammen.
Torak konnte ihr nachfühlen, dass sie ihren Onkel vermisste und sich wahrscheinlich auch sorgte, ob ihm bei ihrer Verfolgung durch den Wald, in dem der besessene Bär sein Unwesen trieb, etwas zugestoßen war. Um ihr Zeit zu lassen, sich zu beruhigen, machte er sich an seine eigenen Vorbereitungen und suchte umständlich seine Waffen zusammen. »Los, komm, gehen wir jagen.«
Sie nickte und schulterte ihren Köcher.
Der Wald war noch nie so schön gewesen wie an diesem hellen, klaren Morgen. Rote Ebereschen und goldene Birken loderten wie Flammen im dunkelgrünen Fichtengehölz. In den Blaubeerbüschen glitzerten unzählige winzige, von Frost überzogene Spinnweben, gefrorenes Moos knirschte unter ihren Füßen. Ein Paar neugieriger Elstern folgte ihnen zeternd von Baum zu Baum. Der Bär musste weit weg sein.
Leider konnte sich Torak nicht lange an alldem erfreuen. Am späten Vormittag scheuchte Wolf einen Schwarm Moorschneehühner auf, die mit beleidigtem Kollern aufstoben. Sie flogen so schnell auf und dazu genau in die Sonne hinein, dass Torak nicht einmal zu zielen versuchte, denn er war überzeugt, ohnehin nicht zu treffen. Zu seiner Verwunderung legte Renn einen Pfeil ein und schickte ihn auf die Reise, worauf ein Huhn mit dumpfem Aufprall im Moos landete.
Torak blieb der Mund offen stehen. »Wie hast du das denn gemacht?«
Renn wurde rot. »Tja, ich übe halt viel.«
»Aber… so einen guten Schuss habe ich noch nie gesehen. Bist du die beste Schützin eurer Sippe?«
Sie sah ein wenig verlegen aus.
»Oder gibt es jemanden, der noch besser ist?«
»Ähm … eigentlich nicht.« Immer noch verlegen, stapfte sie durch die Blaubeeren und holte den erlegten Vogel. »Hier.« Sie entblößte grinsend die spitzen Zähne. »Erinnerst du dich noch an dein Versprechen? Du kehrst jetzt um und ruhst dich aus.«
Torak nahm ihr das Huhn ab. Hätte er gewusst, dass sie so gut schießen konnte, hätte er ihr so etwas nie versprochen.
Als Renn zurück zur Höhle kam, schmausten sie ausgiebig. Der Ruf einer jungen Eule verriet ihnen, dass immer noch keine Gefahr drohte, und Renn befand, sie wären jetzt weit genug östlich, um den Rabenspähern entwischt zu sein. Außerdem mussten sie ab und zu etwas Warmes in den Magen bekommen.
Renn wickelte zwei kleine Stücke Moorhuhn in Blutampferblätter und ließ sie für die Clanhüter liegen, während Torak die Feuerstelle an den Höhleneingang verlegte, da er fest entschlossen war, nicht noch eine Nacht dort drin zu verbringen. Er füllte Renns Kochleder halb mit Wasser und hängte es übers Feuer, dann ließ er mithilfe einer Astgabel glühend heiße Steine hineinfallen, um das Wasser zu erwärmen, und gab das gerupfte und entbeinte Huhn dazu. Bald rührte er in einem wohlriechenden Eintopf aus Hühnerfleisch, Lauch und großen, fleischigen Waldpilzen.
Sie aßen fast das ganze Huhn auf, ließen nur ein bisschen für das nächste Tagmahl übrig und tunkten die Soße mit in der Glut
Weitere Kostenlose Bücher