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Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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erreicht hatten, eine richtige Höhle, nicht so eine kleine, luftlose.
    Trotzdem wollte das Weibchen Wolf immer noch nicht an seinen Rudelgefährten heranlassen. Knurrend wollte er sie wegschieben, doch statt Platz zu machen, nahm sie einen Stock, warf ihn aus der Höhle, zeigte darauf und dann auf Wolf.
    Wolf ignorierte sie und ging wieder zu Groß Schwanzlos, der versuchte, sich das Fell abzuziehen. Schließlich war nur noch das lange dunkle Kopffell übrig. Groß Schwanzlos lag zusammengerollt und mit geschlossenen Augen auf der Seite und zitterte vor Kälte. Sein erbärmlicher, fellloser Unterpelz nützte ihm überhaupt nichts.
    Wolf drängte sich an ihn, um ihn zu wärmen, aber Weibchen Schwanzlos erweckte rasch das Helle-Tier-das-heißbeißt zum Leben. Groß Schwanzlos rückte näher an die Wärme heran, und Wolf passte genau auf, dass ihn nichts in die Pfoten biss.
    Erst jetzt fiel Wolf auf, dass Groß Schwanzlos in einer Vorderpfote etwas merkwürdig Schimmerndes hielt.
    Wolf schnüffelte daran – und wich zurück. Es roch nach Jäger und Beute und Flinkem Nass und Baum, alles durcheinander, außerdem ging ein hohes, dünnes Summen davon aus, so hoch, dass Wolf es nur mit Mühe wahrnahm.
    Wolf bekam Angst. Er wusste, dass er es mit etwas sehr, sehr Mächtigem zu tun hatte.

    Torak kuschelte sich krampfhaft zitternd in seinen Schlafsack. Sein Kopf stand in Flammen, sein ganzer Körper fühlte sich wie eine einzige große Prellung an, aber am schlimmsten war, dass er nichts sehen konnte. Blind, blind , hämmerte sein Herz.
    Durch das Knistern des Feuers hörte er Renn leise schimpfen: »Wolltest du dich umbringen?«
    »Was?«, sagte er, brachte aber nur ein undeutliches Nuscheln zustande, denn sein Mund war mit salzig-süßem Blut verklebt.
    »Du warst schon fast wieder oben«, sagte Renn und drückte ihm etwas auf die Stirn, das sich wie Spinnweben anfühlte, »aber dann bist du umgekehrt und hast noch einmal getaucht – absichtlich!«
    Erst jetzt begriff er, dass sie nichts von der Nanuak wusste, aber seine Faust war so kalt, dass er sie nicht öffnen und ihr seinen Fund zeigen konnte.
    Er spürte Wolfs warme Zunge im Gesicht. Ein schmaler Lichtspalt erschien. Dann eine große schwarze Nase. Toraks Lebensgeister erwachten wieder. »Ich kann sehen!«, rief er.
    »Häh?«, blaffte Renn. »Natürlich kannst du sehen! Du hast dir die Stirn an dem Ast aufgerissen und dir ist Blut in die Augen gelaufen. Wunden an der Kopfhaut bluten stark, weißt du das nicht?«
    Torak war so erleichtert, dass er am liebsten in lautes Gelächter ausgebrochen wäre, wenn nur seine Zähne nicht so erbärmlich geklappert hätten.
    Er stellte fest, dass sie sich in einer kleinen Erdhöhle befanden. Ein Birkenholzfeuer brannte munter, und seine durchweichten Kleider, die an Baumwurzeln hingen, fingen schon zu dampfen an. Man hörte die Fälle laut donnern, und nach dem Geräusch sowie den Baumwipfeln vor dem Höhleneingang zu schließen, mussten sie sich ein Stück oberhalb des Flusses befinden. Er konnte sich nicht erinnern, wie sie hierher gekommen waren. Renn musste ihn getragen haben. Er fragte sich, wie sie das geschafft hatte.
    Sie kniete neben ihm und sah ziemlich mitgenommen aus. »Du hast unheimliches Glück gehabt. Jetzt halt mal still.« Sie nahm ein paar getrocknete Schafgarbenblätter aus ihrem Medizinbeutel und zerbröselte sie in der Handfläche. Nachdem sie die Spinnweben weggenommen hatte, drückte sie ihm die Blätterkrümel auf die Stirn, wo sie eine Art Schorf auf der Wunde bildeten.
    Torak schloss die Augen und lauschte dem unvermindert wütenden Toben des Wassers. Wolf kroch zu ihm in den Schlafsack und drehte sich so lange um sich selbst, bis er bequem lag. Er fühlte sich herrlich pelzig und warm an und leckte Torak sogleich die Schulter. Torak seinerseits leckte ihm die Schnauze.
    Als er erwachte, zitterte er nicht mehr, hielt aber immer noch die Nanuak umklammert. Er spürte sie schwer in seiner Faust liegen.
    Wolf schnüffelte im hinteren Teil der Höhle herum, Renn sortierte Kräuter in ihrem Schoß. Toraks Rückentrage, seine Stiefel und Waffen lagen sorgfältig aufgestapelt neben ihr. Torak wurde klar, dass sie, um alles zu holen, den Fluss noch einmal hatte überqueren müssen. Sogar zweimal.
    »Renn?«
    »Was?«, antwortete sie, ohne aufzusehen. Ihr Ton verriet ihm, dass sie immer noch verstimmt war.
    »Du hast mich aus dem Fluss gezogen. Du hast mich hier hochgeschleppt. Du hast sogar meine Sachen

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