Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
Vom Netzwerk:
mir nie wieder!«, brüllte Torak zurück.
    Er setzte sich am Ufer ins Moos. Dann gähnte er und streckte sich, um Wolf zu zeigen, dass er ganz gelassen war.
    Nach einer Weile traute sich Wolf unter dem Wacholder hervor und setzte sich neben ihn.
    Torak gähnte wieder.
    Wolf warf ihm einen kurzen Blick zu und riss das Maul ebenfalls zu einem gewaltigen Gähnen auf, das in einem Winseln endete.
    Torak stand ganz langsam auf und nahm Wolf auf den Arm, wobei er in Wolfssprache besänftigend auf ihn einredete.
    Die Steine fühlten sich unter seinen nackten Füßen eiskalt und glitschig an. Wolf zitterte in Todesangst.
    Renn beugte sich vor und streckte ihnen mit einer Hand einen Birkenschössling hin. »Gut so«, schrie sie, um das Donnern des Wasserfalls zu übertönen, »gleich habt ihr’s geschafft!«
    Wolf grub die Klauen in Toraks Wams.
    »Nur noch ein Stein!«, rief Renn. »Ich nehm ihn dir …«
    Eine Welle schwappte gegen den Stein und spritzte sie nass. Wolf verlor die Beherrschung. In nackter Angst wand er sich aus Toraks Griff und wollte sich mit einem Satz ans Ufer retten. Dann stand er mit den Hinterbeinen im Wasser, mit den Vorderpfoten krallte er sich in die Böschung.
    Renn bückte sich rasch und erwischte ihn am Nackenfell. »Ich hab ihn!«, brüllte sie.
    In diesem Augenblick verlor Torak das Gleichgewicht und fiel mit einem lauten »Platsch« in den Fluss.

Kapitel 15

    PRUSTEND KAM TORAK wieder an die Oberfläche und kämpfte gegen die Strömung an.
    Er war ein guter Schwimmer, deshalb war er nicht sonderlich beunruhigt. Er konnte sich an dem überhängenden Ast dort festhalten …
    Dann eben am nächsten.
    Er hörte, wie sich Renn hinter ihm durchs Gestrüpp zwängte und ihn beim Namen rief, er hörte Wolfs aufgeregtes Gekläff, aber sie fielen rasch zurück. Offenbar war das Gestrüpp zu dicht.
    Der Fluss stieß ihn vor sich her, schleuderte ihn wie ein welkes Blatt gegen einen Felsen. Er ging wieder unter.
    Abermals tauchte er strampelnd auf und stellte erschrocken fest, wie weit er schon abgetrieben war. Von Renn und Wolf war nichts mehr zu hören und der Wasserfall kam mit erstaunlicher Geschwindigkeit näher und übertönte mit seinem Donnern alles andere.
    Wams und Beinleder zogen ihn in die Tiefe. Seine Arme und Beine waren taub vor Kälte, sodass sie sich nur noch wie abgestorbene Äste aus Haut und Knochen anfühlten, die sich, ohne noch etwas zu spüren, abmühten, ihn über Wasser zu halten. Außer weiß aufschäumenden Wellen und verschwommenen Weiden sah er nichts mehr. Dann verschwand auch das und er ging wieder unter.
    Da begriff er, dass er den Wasserfall hinunterstürzen und sterben würde.
    Zum Fürchten blieb keine Zeit, er spürte nur einen dumpfen Zorn, dass alles auf diese Weise enden sollte. Armer Wolf. Wer wird sich jetzt um dich kümmern? Und arme Renn. Hoffentlich findet sie meine Leiche nicht, die ist bestimmt kein schöner Anblick.
    Donnernd und tosend näherte sich der Tod. Ein Regenbogen flirrte durch Schaum und Gischt … dann wurden die Wellen glatt wie Leder, und plötzlich war vor ihm kein Fluss mehr, und er bekam kaum noch Luft, als er über den Klippenrand schoss. Der Tod streckte die Hand aus und zog ihn hinunter, und alles war warm und weich, wie kurz vor dem Einschlafen …
    Er stürzte und stürzte, Wasser drang ihm in den Mund, in die Nase, in die Ohren. Der Fluss verschluckte ihn mit Haut und Haar, rauschte mit gnadenloser Gewalt durch ihn hindurch. Irgendwie kam er frei und schnappte nach Luft, dann zog es ihn wieder in den strudelnden grünen Abgrund.
    Das Brüllen des Flusses wurde leiser. Lichter blitzten vor seinen Augen. Er sank. Das blaue Wasser wurde erst dunkelgrün, dann schwarz. Er war kraftlos, von der Kälte betäubt. Am liebsten hätte er aufgegeben und wäre eingeschlafen.
    Er vernahm ein leises, blubberndes Lachen. Haare wie grünes Wassergras streiften über seine Kehle. Grausame Gesichter grinsten ihn mit erbarmungslosen weißen Augen an.
    Komm zu uns! , rief das Verborgene Volk des Flusses. Befreie deine Seelen von diesem trägen, schweren Fleisch!
    Ihm wurde übel, als wollte ihm jemand die Eingeweide herausreißen.
    Siehst du? Siehst du? , lachte das Verborgene Volk. Wie rasch sich seine Seelen lösen wollen! Wie sie sich sehnen, zu uns zu kommen!
    Torak drehte sich um sich selbst wie ein toter Fisch. Das Verborgene Volk hatte Recht. Es wäre so einfach, den Körper zu verlassen und sich für immer in ihrer kalten Umarmung zu

Weitere Kostenlose Bücher