Chronik der dunklen Wälder - Wolfsbruder: Band 1 (German Edition)
Rudelgefährten gefunden.
Torak hätte sich vor Wut in den Hintern beißen können. Warum hatte er den Welpen nicht getötet? Was sollte er jetzt essen?
Der Kleine stupste ihm die Schnauze in die geprellten Rippen, dass er aufschrie. »Lass das!«, brüllte er ihn an und gab ihm einen Tritt. »Ich brauch dich nicht! Kapiert? Du nützt mir nichts. Hau ab! «
Er machte sich nicht die Mühe, es in Wolfssprache zu sagen, denn ihm war klar, dass er diese Sprache ohnehin nicht sehr gut beherrschte. Er kannte nur ein paar einfache Gebärden und Lautfolgen. Aber der Welpe verstand ihn auch so. Er trottete davon, setzte sich, ein paar Schritt entfernt, hin und sah ihn schwanzwedelnd und erwartungsvoll an.
Als Torak aufstand, drehte sich alles um ihn. Er musste bald etwas essen.
Er schaute sich um, ob irgendwo am Ufer etwas Essbares zu finden war, sah aber bloß die toten Wölfe, und die rochen entschieden zu schlecht.
Verzweiflung übermannte ihn. Die Sonne stand schon tief. Was sollte er tun? Hier sein Lager aufschlagen? Aber was war mit dem Bären? Hatte er inzwischen von Fa abgelassen und war nun auf die Suche nach ihm gegangen?
Seine Brust wurde schmerzhaft eng. Denk nicht an Fa. Überleg, was zu tun ist. Wenn dir der Bär gefolgt wäre, hätte er dich längst eingeholt. Vielleicht bist du ja hier in Sicherheit – jedenfalls diese eine Nacht.
Er wollte die Wolfskadaver wegschleifen, doch sie waren zu schwer, daher beschloss er, sich weiter flussaufwärts niederzulassen. Aber erst wollte er mit einem der Kadaver eine Schlagfalle aufstellen. Vielleicht fing er ja bis morgen früh etwas.
Die Falle zu bauen, war schwierig. Erst musste er mithilfe eines Astes einen großen, schweren Stein aufrichten, dann einen zweiten Ast als Auslöser quer dazu hinlegen. Wenn er Glück hatte, kam ein Fuchs vorbei und wurde von dem Stein erschlagen. Das war zwar keine besonders schmackhafte Beute, aber besser als nichts.
Gerade als er fertig war, kam das Wolfsjunge zu ihm herübergetapst und schnüffelte neugierig an der Falle. Torak packte ihn und stieß ihn mit der Schnauze fest auf den Boden. »Nein!«, sagte er streng. »Bleib da weg!«
Der Welpe schüttelte sich und trollte sich beleidigt.
Lieber beleidigt als tot, dachte Torak.
Er wusste, dass er ungerecht gewesen war. Er hätte den Welpen erst anknurren und nur dann bei der Schnauze packen sollen, wenn er nicht gehorcht hätte. Aber er war zu müde, um sich Vorwürfe zu machen.
Wieso hatte er den Welpen überhaupt gewarnt? Es konnte ihm doch egal sein, ob er in der Nacht gegen die Falle lief und erschlagen wurde. Was kümmerte es ihn, ob oder warum er das Tier verstehen konnte? Wozu sollte das gut sein?
Als er aufstand, konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Scher dich nicht um den Welpen. Du brauchst etwas zu essen.
Er beschloss, Multbeeren zu suchen, und erklomm mühsam den Abhang hinter dem großen roten Felsen. Erst als er schon oben war, fiel ihm ein, dass Multbeeren im Moor oder im Sumpf wuchsen, aber nicht in Birkenwäldern. Außerdem war es dafür schon viel zu spät im Jahr.
Er sah, dass der Boden stellenweise mit Auerhuhnkot bedeckt war, und legte ein paar Schlingen aus geflochtenen Grashalmen aus, zwei in Bodennähe und zwei auf niedrigen Zweigen, auf denen die Auerhühner manchmal entlangliefen. Er tarnte die Schlingen zusätzlich mit Blättern, damit die Vögel nichts merkten, dann ging er zum Fluss zurück.
Weil er wusste, dass er zu geschwächt war, um einen Fisch zu stechen, spießte er Wasserschnecken auf die Dornen von Brombeerranken und legte die Ranken in den Bach, dann ging er flussaufwärts auf die Suche nach Beeren und Wurzeln.
Der Welpe tapste eine Weile hinter ihm her, dann setzte er sich hin und forderte ihn winselnd auf umzukehren. Er wollte sich nicht zu weit von seinem Rudel entfernen.
Gut, dachte Torak. Dann bleibst du eben da und belästigst mich nicht.
Die Sonne sank immer tiefer, es wurde kalt. Toraks Wams glitzerte vom nebligen Atem des Waldes. Flüchtig ging ihm durch den Kopf, dass er vielleicht lieber eine Hütte bauen sollte, statt Nahrung zu suchen.
Schließlich fand er eine Hand voll Krähenbeeren, die er sofort aufaß, dann noch ein paar verschrumpelte Preiselbeeren, ein paar Schnecken und ein Büschel gelber Sumpfpilze, die zwar von Maden befallen, aber trotzdem noch genießbar waren.
Es war schon fast dunkel, als er zu guter Letzt ein paar Knollenkümmelpflanzen entdeckte. Mit einem spitzen Ast grub er vorsichtig
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