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Chronik der Nähe

Chronik der Nähe

Titel: Chronik der Nähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Pehnt
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das sein, wer wohnt denn
überhaupt hier.
    â€“ Wir können ja mal gucken, schlug ich vor, oder fragen, ich meine,
mal klingeln, warum nicht.
    Wir starrten beide auf das Haus, gelb verklinkert, von einer
ordentlich geschnittenen Hecke umgeben, daneben ein weiß gestrichener Carport,
keine Obstbäume, im Garten ein Spielhaus aus rotem Plastik.
    â€“ Mama, ich steige mal aus, jetzt, wo wir schon hier sind, komm,
frische Luft schnappen, und ich riss deine Autotür auf und wollte auch dich
herausholen, damit du nicht so geduckt und empört vor dich hinstarrtest, dafür
waren wir doch nicht den weiten Weg gekommen, na, so weit war es gar nicht.
    Widerwillig und schwerfällig, eine Hand an der Stirn, der
Kopfschmerz schon schwer im Anmarsch, stiegst du aus, gebückt und gequält, das
war unfair, das ginge auch ganz anders, komm, Mama, erzähl doch mal, wo waren
denn die Hühner.
    Widerwillig hobst du den Blick, da öffnete sich die Tür, jemand
schüttelte einen Aufnehmer kräftig, sodass kleine Staubwolken um den Eingang
pufften, sah kurz zu uns herüber, schlug dann die Tür wieder zu.
    â€“ Das ist es nicht, sagtest du plötzlich, die Augen wieder frei,
echte Erleichterung im Gesicht. Ich muss mich vertan haben, ganz klar. Wir sind
am falschen Ort, die falsche Kreuzung, weißt du.
    Lachend schautest du hinüber zum Haus, diese scheußlichen Klinker,
so ein Albtraum, komm, wir fahren. Zweifelnd hörte ich
deiner Erleichterung zu, nicht, dass ich dir glaubte. Du wolltest dich geirrt
haben, damit wir weiterfuhren oder besser gleich zurück, wie wäre es noch mit
einem Eiscafé, am Marktplatz gibt es eins, oder gab es mal, Café Kranz, weißt
du, alteingesessen, aber wer weiß schon, was es noch gibt, und auf einmal,
jetzt, wo wir zurückfuhren und das Haus mit den gelben Klinkern hinter der
Kurve verschwunden war, wurdest du ausgelassen und amüsiertest dich über die
Veränderungen, die denken wohl, sie wären auf der Höhe der Zeit, guck mal, der
Brunnen aus Stahl, ganz futuristisch, und da ist ja das Eiscafé, aber
geschlossen: typisch.
    Erleichtert lehntest du dich zurück, als wir auf der Landstraße
waren, der Ort weit hinter uns zwischen den Kopfweiden und den Maisfeldern
verschwunden: Das war eine Reise, die machen wir nicht noch einmal.
    Rasch, bevor mir doch Bedenken kommen, klicke ich im Internet
herum, blättere im Reisebüro durch Angebote, nicht leicht, weil es ja der
schönste Ort der Welt sein soll, wenn wir beiden schon mal zusammen verreisen,
und dass du Ja gesagt hast oder fast Ja oder: nicht in den Schwarzwald gesagt
hast, ist nicht zu fassen.
    â€“ Etwas Abenteuerliches oder eher etwas Kulturelles, fragt das
Mädchen im Reisebüro.
    â€“ Mit meiner Mutter, wissen Sie, sage ich.
    â€“ Wohin möchte denn Ihre Mutter.
    â€“ Sie weiß es nicht, ich meine, ich weiß es nicht, ich möchte mit
meiner Mutter, ich muss ihr etwas aussuchen.
    â€“ Dachten Sie an eine Städtereise.
    â€“ Etwas Besonderes, sage ich. Das Mädchen schiebt hilflos die Maus
hin und her und tupft sich mit dem kleinen Finger den Augenwinkel, sie findet
mich unpraktisch, und recht hat sie, woher soll sie denn wissen, was für mich
besonders ist. Aber es geht ja nicht um mich, für mich muss es gar nichts sein,
ich würde mit dir auch ins Ruhrgebiet fahren oder nach Gießen.
    Das Mädchen nimmt noch einmal Anlauf, leise seufzt sie, und ich
sehe, wie sie im Kopf Träume sortiert: etwas Besonderes für Mädchen (Thailand),
etwas Besonderes für Frauen wie mich (Neuseeland), etwas Besonderes für Mütter
(Paris mit Museumspass und nächtlicher Rundfahrt auf der Seine). Noch bevor sie
etwas sagen kann, stehe ich auf und nicke ihr zu, danke für Ihre Mühe, ich muss
erst noch genauer überlegen, tut mir leid.
    Dich fragen geht nicht, du würdest alles weit von dir weisen.
    Neuseeland zu weit, Thailand zu weit, Paris zu bekannt, Schwarzwald
nicht, was hast du denn bloß gegen den Schwarzwald.
    â€“ Mama, warum magst du eigentlich den Schwarzwald nicht.
    â€“ Zu dunkel, eng, die Torten grauenhaft, Albträume aus Sahne, die
Pensionen düster, Berge von Geranien verstopfen die Fenster, alle besoffen,
Kirschwasser, du weißt schon, und einfach zu viel frische Luft.
    â€“ Ach so.
    Zu Hause schalte ich sofort den Computer ein, klicke mich an die
Ostsee und buche ein Doppelzimmer: Kurhotel auf

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